Mat. I: Produkte in Zeiten des Klimawandels –
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Die auf verschiedenen Wegen produzierten Biokraftstoffe sollten – wie andere Produkte auch – in Hinblick auf den Klimawandel u.a. auf der Grundlage folgender Kriterien bzw. Hintergründe beurteilt werden:
(0) Der „Energiebegriff“ – sehr vielfältig
(1) Treibhausgase und Erderwärmung (Kohlenstoffdioxid, CO2-Emission, Treibhausgas, CO2-Äquivalent, Treibhauseffekt)
(2) Mehr oder weniger Treibhausgase (CO2-Bilanz, -Fußabdruck, THG-Reduktion, -Reduzierung, -Einsparung, -Minderung, -Quote, CO2-Neutralität, CO2-Emissions-Budget, Klimaneutralität, nationale und internationale Aktivitäten der Politik und Gesetzgebung)
(3) Treibhausgase und die Nutzung von Landflächen (Landnutzungsänderung, CO2-/Kohlenstoffschuld)
(4) Veränderte Landflächen und biologische Vielfalt (Biodiversität, Artenvielfalt, -vernichtung)
(5) Ganzheitliche Betrachtungsansätze zu Produkten und Klimawandel (Ökobilanz, Nachhaltigkeit, Wirtschaft, Bioökonomie, Bioraffinerie, Technologieoffenheit, -neutralität, Greenwashing, Green Deal, Ethik und Moral)
Hinweise:
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(0) Der „Energiebegriff“ – sehr vielfältig
In allen folgenden Ausführungen spielt immer wieder der Begriff „Energie“ in unterschiedlichen Zusammenhängen eine große Rolle. Aus diesem Grund wird zu Beginn versucht, in kurzen Worten etwas Klarheit bezüglich dieses Begriffes und seiner Varianten zu schaffen.
Energie, -träger, -quellen, -wende, etc.
Energie ist die Fähigkeit , Arbeit zu leisten. Stoffe bzw. Mechanismen, die die Nutzung von Energie ermöglichen sind Energieträger. Man unterscheidet Primärenergieträger (Erdöl, Erdgas, Kohle, Kernbrennstoffe, Wind-, Wasserkraft, Geothermie, Sonne, Biomasse) und Sekundärenergieträger, die im Rahmen von Umwandlungsprozessen aus Primärenergieträgern hergestellt werden (Strom, Kraftstoffe, Wasserstoff, etc.).
Eine Energiequelle ist eine Möglichkeit, auf der Grundlage eines Energieträgers Nutzenergie für den Menschen und seine Aktivitäten zu gewinnen.
Konventionelle Energiequellen sind die begrenzt vorkommenden fossilen Brennstoffe und Kernbrennstoffe.
Erneuerbare – auch regenerative oder alternative – Energiequellen scheinen vielfach unbegrenzt zur Verfügung zu stehen, insbesondere die Sonnen- und Windenergie. Dazu gehört auch die in Form von Biomasse gespeicherte Sonnenenenergie (s.u.).
Von sauberer Energie wird gesprochen, wenn die Nutzung erneuerbarer Energien zukunftsorientiert nachhaltig und klimafreundlich erfolgt.
Die Energiewirtschaft umfasst die Energieerzeugung und –versorgung für alle Einrichtungen und Handlungen der Menschen und den damit verbundenen Möglichkeiten und Folgen.
Die angestrebte Energiewende soll in den drei Bereichen Mobilität, Wärme und Stromversorgung weg von dem Einsatz nuklearer und fossiler Brennstoffe hin zur Nutzung erneuerbarer Energien führen. Ziel ist, dass in Deutschland bis zum Jahr 2030 bzw. 2050 hauptsächlich Energie aus Sonnenenergie, Wind- und Wasserenergie, Geothermie sowie aus nachwachsenden Rohstoffen genutzt wird. Parallel dazu soll in allen Bereichen jegliche Energie effizienter genutzt werden. Nur so wird der bereits erkenn- und messbare Klimawandel zu „bremsen“ sein.Biomasse und Biokraftstoffe als Energieträger
Die Sonne ist Quelle für die Entstehung bzw. auch Erneuerung von Biomasse (= Primärenergieträger). Damit gehört die Biomasse als nachwachsender Rohstoff im Rahmen der Naturprozesse grundsätzlich mit zu den erneuerbaren Energien.
Inwieweit die durch Umwandlung von Biomasse hergestellten Biokraftstoffe (= Sekundärenergieträger) ebenfalls zu den erneuerbaren bzw. alternativen Energieträgern gehören ist – je nach Herstellungsweg – mehr oder weniger umstritten. Grundlagen dieser unterschiedlichen Bewertung sind verschiedene Kriterien ökologischer Qualitäten. Passender ist jedoch in jedem Fall der Begriff biomassebasierte Energiequelle.
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(1) Treibhausgase und Erderwärmung (Kohlenstoffdioxid, CO2-Emission, Treibhausgas, CO2-Äquivalent, Treibhauseffekt, Klimawandel)
Kohlenstoffdioxid (CO2) spielt als eines der Treibhausgase (THG) die entscheidende Rolle im Rahmen des Treibhauseffektes und dem damit verbundenen Klimawandel. Es liegt daher nahe, dass dieses Gas und dessen Emissionen im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen.
Kohlenstoffdioxid (CO2) / -Emission
Eine Emission (lat.: emittere“herausschicken“) betrifft Teilchen oder Stoffe die an die Umwelt abgegeben werden.
Kohlenstoffdioxid ist natürlicher Bestandteil der Atmosphäre. Ursprünglich bestand ein geschlossener Kreislauf bezüglich der CO2-Emissionen und des -Verbrauches.
Der Gehalt in der Atmospähre betrug 2019 etwas mehr als 400 ppm (= parts per million / Teilchen pro Milion). Vor dem Beginn der sogannnten Industrialisation betrug der Wert etwa 280 ppm.
CO2-Emissionen entstehen durch jede Art von Verbrennung kohlenstoffhaltiger Materialien (Erdöl, Erdgas, Kohle, Holz bzw. daraus hergestellte Produkte). Emissionsquellen sind Strom- und Wärmeerzeuger, die Industrie, die Landwirtschaft sowie die Privathaushalte.
Auch wenn Kohlenstoffdioxid unter dem Gesichtspunkt der Menge das bedeutsamste unter den Treibhausgasen ist, tragen auch andere Gase zur Erderwärmung bei.
Treibhausgas / THG (engl.: GHG, Greenhouse Gas)
„THG“ ist die Abkürzung für Treibhausgase. Dabei handelt es sich um Gase, die die besondere Eigenschaft haben, mehr oder weniger Energie in Form von Wärmestrahlung zu absorbieren (= aufzunehmen). Das führt zur Erwärmung der unteren Schichten der Atmosphäre (siehe Treibhauseffekt). Diese Gase sind natürlichen Ursprungs – Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid CO2) – oder werden durch menschliche Aktivitäten emittiert (= abgegeben).
Neben Kohlenstoffdioxid (CO2) zählen auch Distickstoffmonoxid oder Lachgas (N2O), Methan (CH4) und Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) zu menschengemachten Treibhausgasen.
Distickstoffmonoxid (N2O) stammt zu 60% aus natürlichen Quellen und zu 40% aus menschlichen Aktivitäten. Es spielt u.a. eine große Rolle in der Landwirtschaft und damit auch beim Anbau sogenannter Energiepflanzen – vor allem Mais, Zuckerrüben und Raps – für die Biokraftstoffgewinnung der ersten Generation. Es gelangt über stickstoffhaltige Dünger und die Tierhaltung in die Atmosphäre. Das ist der Fall, wenn nicht von den Pflanzen verwerteter Dünger von Mikroorganismen im Boden abgebaut wird (siehe AB 3_2.3 N-Kreislauf).
Auch wenn Menge dieses Treibhausgases in der Atmosphäre gering ist, muss seine höhere Wirksamkeit (= Treibhauspotenzial) bedacht werden.
Das ebenfalls in der unteren Atmosphäre wirksame Methan (CH4) stammt überwiegend aus der Viehhaltung, aber auch aus der Klärschlammverwertung. Zunehmend größere Methanmengen werden in Gebieten mit ursprünglich dort vorhandenen Dauerfrostböden freigesetzt. Eine Folge der Erderwärmung: Durch das Auftauen der Dauerfrostböden werden Mikroorganismen aktiv, zersetzen dort unter anaeroben Bedingungen (= ohne Sauerstoff) tote organische Substanz und produzieren dabei Methan- das wiederum führt zur weiteren Erderwärmung, usw. . Man spricht von einer positiven Rückkopplung.
Fluorkohlenwasserstoffe werden in erster Linie als Kälte- und Treibmittel eingesetzt, häufig nicht sachgerecht entsorgt und damit und letztlich freigesetzt.
Da nicht jedes Treibhausgas die gleiche Eigenschaft bezüglich seiner Wärme-Wirksamkeit besitzt, wird im Rahmen der Betrachtung der Wirkung der verschiedenen Treibhausgase der Begriff der „CO2-Äquivalenz“ benutzt.
CO2-Äquivalent (lat.: aequus „gleichgestellt“)
Jedes Treibhausgas ist in der Atmosphäre unterschiedlich wirksam, d.h. es hat sein spezifisches Treibhauspotenzial (Global warming potential).
Das am meisten vorkommende Treibhausgas ist CO2. Es wird als Leit-Gas festgelegt und mit dem Bezugswert 1 versehen. Die Wirkung aller anderen Treibhausgase werden als CO2-Äquivalent (CO2-Äq oder -eq) angegeben. Die CO2-Äquivalenz wird folgendermaßen gewichtet: Methan (CH4) : 23fach, Distickstoffoxid (N2O) : 296fach, fluorierte Gase 100 – 24.000fach.
Genaueres zur Gewichtung siehe z.B.:
https://www.energie-lexikon.info/co2_aequivalente.html
Die von Menschen verursachten Emissionen der zuvor genannten Treibhausgase in die untere Atmosphäre führen zum sogenannten anthropogen bedingten Treibhauseffekt. Der vorhandene natürliche Treibhauseffekt, ohne den es auf der Erdoberfläche im Durchschnitt etwa minus 18 0C kalt wäre, wird dadurch massiv verstärkt.
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Der Umgang mit dem anthropogenen Treibhauseffekt bzw. dem damit verbundenen Klimawandel war Gegenstand mehrerer internationaler Treffen (siehe hier). Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hat die Weltstaatengemeinschaft festgelegt, dass „der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde.“ (Artikel 2, Abschn.1a). 2017 gab US-Präsident Trump bekannt, die USA würden von dem Pariser Übereinkommen zurücktreten. Sein Nachfolger, Präsident Biden, trat dem Pariser Klimaabkommen im Februar 2021 wieder bei.Auf der UN-Klimakonferenz 2018 in Kattowitz (Katowice) wurden gemeinsame Regeln und Verfahren für die Umsetzung des Pariser Abkommens diskutiert und festgelegt. In einer weiteren Klimakonferenz in Glasgow (COP 26) 2021 wurde versucht in den nächsten Jahren einen weltweiten Klimaschutz zu vereinbaren, der das 1,50C-Ziel des Pariser Abkommens verstärkt im Blick hat. Die Ergebnisse spiegeln dieses nicht wider und sind zum Teil sehr umstritten. Einige sind sich jedoch alle Teilnehmer, dass es einer drastischen Abnahme der Treibhausgas-(THG-)Emissionen bedarf weltweit verlangt – die Frage ist nur wer in welchem Umfang einen Beitrag liefert bzw. liefern kann.Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die folgende Frage an Biokraftstoffe zu stellen: Inwieweit kann ihre Herstellung und ihr Einsatz anstelle von Kraftstoffen aus fossilen Quellen zur Abnahme der THG-Emissionen beitragen? Dass die Antworten darauf sehr unterschiedlich ausfallen können, zeigt sich im Haupttext zu den Biokraftstoffen z.B. in der Abbildung Abb AV EB_6-2 . Dieses wird weiter unten im Rahmen der Bearbeitung der Aufg.2 und 3 ausführlicher behandelt. |
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Letztlich ist die Beantwortung dieser Frage pauschal kaum mit einem eindeutigen Ja oder Nein möglich. Sie verlangt in jedem Fall gute Kenntnisse hinsichtlich der vielfältigen Wege der Biokraftstoff-Herstellung sowie zugehöriger wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Gesichtspunkte.
Die zuvor gemachten Aussagen betrifft die Herstellung von Biokraftstoffen in der dritten und vierten Generation kaum. Im Gegenteil, der Einsatz von Algen und entsprechend gen- und biotechnisch aufbereiteten Bakterien ist fast immer mit dem Entzug von CO2 aus der Umgebung verbunden. Inwiefern die Weiterverarbeitung der von den Mikroorganismen synthetisierten Stoffe zu den Treibhausgas-Emissionen beiträgt, ist schwer zu sagen.
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(2) Mehr oder weniger Treibhausgase (CO2-Bilanz, -Fußabdruck, THG-Reduktion, -Reduzierung, -Einsparung, -Minderung, -Quote, CO2-Neutralität, CO2-Emissions-Budget, Klimaneutralität)
Um die Auswirkungen eines Produktes bzw. Prozesses oder sogar einzelner Prozessschritte auf die Klimaveränderungen beurteilen zu können, muss u.a. eine sogenannte CO2-Bilanz erstellt werden.
CO2-Bilanz ( CO2-Fußabdruck, Carbon Footprint)
Die CO2-Bilanz ist eine Größe für die mit Aktivitäten / Prozessen verbundene direkte oder indirekte Freisetzung von CO2. Die Ermittlung des jeweiligen Wertes ist in den meisten Fällen sehr kompliziert und nicht immer eindeutig nachvollziehbar. Nicht zuletzt deshalb kommt es bezüglich ermittelter und genannter Werte häufig zu unterschiedlichen Meinungen hinsichtlich deren Einschätzung.
Erläuterung: Direkte Emissionen entstehen bei dem unmittelbaren Einsatz einer Energieform, wie z.B. Wärmeerzeugung durch Verbrennung oder auch Solarenergie. Indirekte Emissionen entstehen durch vor- oder nachgeschaltete Prozesse, wie z.B. Emissionen aus gekauftem Strom, Energieverbrauch bei Transportvorgängen oder der Energieaufwand in einer nachgeschalteten Kläranlage.
Die CO2-Bilanz ist Bestandteil der weitaus umfassenderen Ökobilanz (siehe hier)!
Eine CO2-Bilanz kann man auch für eine Einzelperson oder eine kleine Gruppe erstellen. Dabei kommt es gar nicht darauf an, den exakten Wert zu ermitteln, sondern sich nur einmal klarzumachen, durch welche Aktivitäten vielleicht überflüssige CO2-Emissionen entstehen und wo die Probleme liegen, die Bilanz zu erstellen.
Probiere auch andere Kohlenstoffdioxid-/Klimarechner. Gibt es Unterschiede? |
Die Auseinandersetzung mit Aufg.1 macht deutlich, dass es nicht ganz einfach ist, CO2-bzw. Treibhausgas-Bilanzen zu erstellen. Und ein weiterer Schritt wäre notwendig: Wie kann die CO2-Bilanz verbessert werden, d.h. was kann konkret zu weniger CO2-Emission führen?
In Zusammenhang mit komplexen Wirtschafts- und Produktionsprozessen wird es noch schwieriger, sachgerechte Ergebnisse zu erhalten. Wesentliche Grundlagen dafür sind in jedem Fall entsprechende Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Normen.
Bevor auf internationale und nationale Vorgaben zum Umgang mit den Treibhausgasen (THG) näher eingegangen wird, erklärt der folgende Informationskasten zunächst die immer wiederkehrenden Begriffe zu dieser Thematik.
THG-Reduktion, -Reduzierung, -Einsparung, -Minderung, -Quote, -Bilanz
Die ersten vier genannten Begriffe werden dem Sinn nach häufig als Synonyme verwendet, was nicht immer zum eindeutigen Verständnis beiträgt. Das Wort „Reduktion“ kann manchmal etwas missverständlich sein, da es eigentlich per Definition naturwissenschaftlichen Prozessen in der Chemie zuzuordnen ist. „Reduzierung“ trifft das, was in den meistens Fällen gemeint ist am besten, nämlich ganz allgemein die Verringerung der THG-Emissionen im Rahmen eines Herstellungsprozesses. „Einsparung“ steht häufig für die Reduzierung in einem bestimmten Abschnitt eines Prozesses. Von „Minderung“ ist die Rede in Zusammenhang mit dem Wort „Quote“. Von einer „THG-Minderungsquote“ wird z.B. gesprochen, wenn eine Reduzierung der THG-Emissionen in Bezug auf die Herstellung aller Kraftstoffe um einen bestimmten Prozentwert auf der Grundlage vorgegebener Vergleichswerte festgelegt wird.
Im Rahmen einer THG-Bilanz sollten direkte und indirekte CO2-Freisetzungen in jedem Produktionsabschnitte erfasst und am Ende zu einem Gesamtwert addiert werden. Im Fall der Biokraftstoff-Herstellung betrifft dieses den gesamten Weg vom Anbau der Rohstoffe bis hin zur Zapfsäule in der Tankstelle.
Anlässe, europäische und nationale Regelungen in Hinblick auf die Treibhausgas-Emissionen und dem damit verbundenen Klimawandel zu schaffen, waren in erster Linie Vereinbarungen auf den Klimagipfeln, der letzte in Glasgow 2021. Dort getroffenen Vereinbarungen (allgemeine Maßnahmen-Kataloge, Grundsätze) führten zu verschiedenen rechtlichen Vorgaben auf europäischer bzw. nationaler Ebene. Auch Biokraftstoffe waren und sind davon betroffen.
In Kurzform werden im Folgenden die mit den Biokraftstoffen in direktem Zusammenhang stehenden Richtlinien, Verordnungen und Gesetze genannt und dann kurz erläutert.
Im Jahre 2006 wurde erstmals gesetzlich eine sogenannte energetische Biokraftstoffquote (= Menge in Bezug auf die Gesamtmenge aller verkauften Kraftstoffe) eingeführt. Damit verbunden war für die Verpflichtung für Unternehmen, die Kraftstoffe auf fossiler Basis vertreiben, einen festgelegten Mindestanteil von Biokraftstoffen ihren Produkten beizumischen. Damit sollte ein positiver Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden.
Auf der Grundlage der Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energien aus erneuerbaren Quellen (RED I) wurden 2009 erstmalig Forderungen an die Nachhaltigkeit bei der Herstellung von Biokraftstoffen formuliert. Dabei ging es auch um die Festlegung von Mindestwerten hinsichtlich der Treibhausgaseinsparung durch Biokraftstoffe und u.a. die Problematik der Freisetzung von CO2 durch die Nutzung von Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand für den Biomasseanbau zur Kraftstoffherstellung. Außerdem fordert die EU die Mitgliedstaaten zum ersten Mal auf, die Herstellung von Biokraftstoffen zu fördern, die auf den Grundlagen von Abfällen, Reststoffen, Lignocellulose-Material, Algen oder Pflanzen in Trockengebieten beruhen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie auf nationaler Ebene erfolgte in Form der sogenannten Verordnung über die Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen (Biokraft-NachV), die in den Folgejahren bis 2020 weiter an die jeweils gültigen rechtlichen Grundlagen, auch denen der EU, angepasst wurde.
Die Umstellung der Kraftstoffproduktion auf eine Treibhausgasquote – auch für Biokraftstoffe – erfolgte 2015. Das Ziel war die Minderung der Treibhausgasemissionen im Rahmen der Produktion von Kraftstoffen jeder Art. Die THG-Quote sollte 2020 bei 6 Prozent liegen. In diesen Regelungen findet sich auch die Problematisierung der direkten und indirekten Landnutzung (siehe hier). Weiterhin wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet im Jahr 2020 mindestens 10 Prozent erneuerbare Energien im Verkehr vorzuweisen. Damit sollte die Treibhausgasfreisetzung bei der Kraftstoffproduktion zum Klimainstrument werden.
Das nächste bedeutsame Jahr für die Biokraftstoffe war 2018, das Jahr der von der EU erlassenen Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II). Unter anderem wurde der verpflichtende Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor (Straße und Schiene) auf mindestens 14 Prozent für das Jahr 2030 angehoben. Die THG-Minderung für die Kraftstoffe im Jahr 2022 wurde im Bundesimmissionsschutzgesetz auf 6 Prozent festgelegt. REDII war auch Ausgangspunkt für eine Reihe weitere Verordnungen und Gesetze vor allem in den Jahren 2020/2021 auf nationaler Ebene. Diese führten u.a. dazu, dass der Anteil von erneuerbaren Energien im Verkehrssektor bis 2030 nun auf 28 Prozent angehoben und die THG-Minderung stufenweise bis 2030 auf 25 Prozent erhöht wurde. Für Biokraftstoffe wurden weitergehende THG-Quoten, u.a. in Hinblick auf mögliche indirekte Landnutzung (siehe hier) festgelegt. Außerdem wurde eine Obergrenze des Anteils von Biokraftstoffen aus Biomasseanbau auf der Grundlage von Nahrungs- und Futtermitteln eingeführt. Auch die Nutzung von Palmöl bzw. der Import von Kraftstoffen auf Palmölgrundlage sollen bis 2026 schrittweise reduziert werden. Gleichzeitig wurde ein Mindestanteil sogenannter „fortschrittlicher Biokraftstoffe*“ im Rahmen von REDII festgelegt.
Die Unterscheidung von herkömmlichen – auf Anbaubiomasse beruhenden – und fortschrittlichen Biokraftstoffen* sowie anderen auf erneuerbarer Energie beruhenden Kraftstoffe ist deshalb notwendig, weil als Folge von RED II seit März 2021 die Weiterentwicklung der THG-Minderungsquote folgendes vorschreibt: Für Nahrungs- und Futtermittelpflanzen liegt die energetische Obergrenze von 2022 bis 2030 durchgängig bei 4,4 Prozent. Für Altspeiseöle und tierische Fette liegt die energetische Obergrenze von 2022 bis 2030 durchgängig bei 1,9 Prozent. Fortschrittliche Biokraftstoffe sollen in den folgenden Jahren einen energetischen Mindestanteil haben: von 2022 0,2 Prozent, 2023 0,3 Prozent, 2024 0,4 Prozent, 2025 0,7 Prozent, 2026 1,0 Prozent, 2028 1,7 Prozent und 2030 2,6 Prozent.
Verschiedene Energieerzeugnisse werden zudem unterschiedlich auf die THG-Minderungsquote angerechnet (Faktor 1 für herkömmliche Biokraftstoffe, Faktor 2 für fortschrittliche Biokraftstoffe, die über dem Mindestanteil liegen, Faktor 2 für strombasierte Kraftstoffe, grünen Wasserstoff, PtX (siehe hier) und Faktor 3 für Strom in Elektrofahrzeugen,). Bei Strom werden durchgängig von 2022 bis 2030 die Mengen der THG-Quote mit Faktor 3 angerechnet (Strom aus öffentlichen Ladepunkten, private Elektrofahrzeuge, Fahrzeugflotten). In Fällen, in denen die Emissionen der Produktion herkömmlicher Biokraftstoffe auf indirekte Landnutzung zurückzuführen ist, wird der Faktor 0 angesetzt.
*„fortschrittliche Biokraftstoffe“ werden nach RED II auf der Grundlage folgender Ausgangsstoffe hergestellt:
– Algen, sofern zu Land in Becken oder Fotobioreaktoren kultiviert; |
Es ist nachvollziehbar, dass vor allem der „Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB)“ und angeschlossene Mitglieder sowie einige Verbände der Landwirtschaft und Mineralölindustrie diese Vorgaben kritisieren. Sie fordern eine verstärkte Nutzung herkömmlicher Biokraftstoffe, um die aus ihrer Sicht hohe Einsparung von Treibhausgasen durch deren Nutzung zu steigern. Einen Grund sehen sie darin, dass Palmöl zukünftig nicht mehr für die Biodieselherstellung genutzt werden soll. Dieses wiederum würde die Nachfrage nach Raps für die Biodieselherstellung verstärken. Insgesamt sehen sie hauptsächlich die Nutzung der herkömmlichen Biokraftstoffe als einen bedeutsamen Beitrag gegen den Klimawandel. Umweltverbände dagegen begrüßen diese rechtlichen Maßnahmen.
Mineralölunternehmen und ihr Interesse an Biokraftstoffen
Mineralölkonzerne stellen in erster Linie Kraftstoffe aus Erdöl her. Da stellt sich natürlich die Frage, warum Biokraftstoffe in Europa bzw. Deutschland nicht grundsätzlich von diesen Unternehmen als Konkurrenz angesehen werden?
Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz müssen Mineralölunternehmen sicherstellen, dass die gesetzlich vorgeschriebene THG-Emissionsmenge bzw. THG-Minderungsquote ihres gesamten Kraftstoffangebotes nicht überschritten wird. Diese THG-Minderungsquote wird für jedes Jahr in Bezug zu 1990 neu festgesetzt.
Für das Jahr 2022 beträgt dieser Wert 7 Prozent. Bis zum Jahr 2030 soll dieser auf 25 Prozent ansteigen. Die Einhaltung dieser Vorgabe wird kontrolliert, wobei deren genaue Berechnung sehr komplex ist.
Um diese Auflagen zu erfüllen gibt es drei Möglichkeiten:
– Die Mineralölunternehmen mischen Biokraftstoffe mit ihren herkömmlichen Kraftstoffen, da Biokraftstoffe vom Gesetzgeber als CO2-einsparender bewertet werden. Somit können die Unternehmen damit ihre THG-Minderungsquote in Bezug auf die Gesamtmenge der von ihnen verkauften Kraftstoffe erfüllen.
– Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Mineralölunternehmen selbst in den Bereichen strombasierte Kraftstoffe, grünem Wasserstoff, PtX und Strom in Elektrofahrzeugen aktiv werden und sich deren günstigere THG-Bilanz auf ihr Gesamtangebot von Kraftstoffen anrechnen lassen (siehe auch hier).
– Schließlich können diese Unternehmen THG-Quotenmengen von sogenannten Dritten kaufen, die emissionsarme oder -freie Kraftstoffe anbieten und sich auf ihre eigene Gesamt-Quote anrechnen lassen.
Sinn und Zweck THG-Minderungsquote und dessen jährlich ansteigenden Werte ist die Gesamt-Emission von CO2 zu senken.
2021 wurde im Bundesimmissionsschutzgesetz festgelegt, dass im März 2024 und dann alle zwei Jahre jeweils ein Erfahrungsbericht zu den auf erneuerbarer Energie beruhenden Kraftstoffen, auch zu Biokraftstoffen, vorgelegt wird. Darin wird deren Nachhaltigkeit, z.B. ihr Beitrag zur THG-Minderung überprüft. Auf dieser Grundlage sollen neue Entscheidungen zu den betroffenen Kraftstoffen erfolgen.
Neben den sehr eng mit der Kraftstoffherstellung verbundenen europäischen und nationalen Vorgaben sind, stellt sich die Frage, wie Biokraftstoffe in größeren Zusammenhängen gesehen werden. Dazu ist ein Blick in die im Folgenden genannten Dokumente notwendig.
**Novelle KSG
Eine Gesetzesveränderung im Nachtrag (= Novelle) erfolgte durch das Bundesverfassungsgericht, das am 29.04.21 eine Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 als unvereinbar mit den Grundrechten einstufte, da die nationalen Klimaschutzziele bezüglich der Emissionen nicht über 2030 hinausgingen. Darauf wurde das Klimaschutzgesetz an mehreren Stellen geändert. Diese Änderungen werden auch als „Generationenvertrag für das Klima“ bezeichnet. |
Der Klimaschutzplan 2050 aus dem Jahr 2016 nennt Grundsätze der Politik in Hinblick auf die Umsetzung des Abkommens auf dem Klimagipfel von Paris im Jahr 2015.
Zu den Biokraftstoffen werden nur sehr oberflächliche und kurze Aussagen getroffen.
In Hinblick auf die Energieversorgung für den Verkehr soll, soweit ökologische verträglich, auf Biokraftstoffe und ansonsten weitgehend auf Strom aus erneuerbaren Energien sowie weitere THG-neutrale Kraftstoffe umgestellt werden.
Für den Biokraftstoffbereich wird auf solche Stoffe mit hohem THG-Minderungswerten gesetzt. Daraus wird die Entwicklung hin zu fortschrittlichen Biokraftstoffen abgeleitet, allerdings wird hier nur davon gesprochen, dass dieses vorwiegend auf der Basis von Abfall- und Reststoffen erfolgen soll.
Im Rahmen der Entwicklung alternativer Energien soll untereinander Kostenparität angestrebt werden.
Auf der Grundlage des Nationalen Klimaschutzprogramms 2030 aus dem Jahr 2019 sollen in erster Linie THG-Emissionen verringert werden.
Die Nutzung von Biokraftstoffen wird im Kontext der Reduzierung des fossilen Anteils in Kraftstoffen gesehen. Die Entwicklung von Kraftstoffen aus Biomasse soll unterstützt und mittel- und langfristig in bestimmten Bereichen des Verkehrssektors genutzt werden – wo bleibt unbeantwortet.
Die zu dieser Zeit bereits existierende EU-Richtlinie RED II macht sich in der Weise bemerkbar, dass Biokraftstoffe der ersten Generation auf Basis von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen nicht mehr zusätzlich unterstützt werden sollen. Auch hier wird auf die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen gesetzt. Seltsam ist, dass unter dem Begriff „fortschrittliche Biokraftstoffe“ nur das Beispiel „Kraftstoffe aus Stroh“ genannt wird. In diesem Zusammenhang bestehende Forschungs- und Entwicklungslücken sollen allerdings geschlossen werden.
Ende des Jahres 2019 wurde von der EU der sogenannte European Green Deal beschlossen (siehe auch hier).
Dort ist natürlich die Rede zunehmender Nutzung nachhaltiger erneuerbarer Energien, wie vor allem Wasserstoff, Strom, Biomethan. Auch nachhaltige Biomasse wird erwähnt, jedoch ohne darauf einzugehen, was damit genauer gemeint ist. Die Bereiche Verkehr und Energie werden nicht nur mit der notwendigen Verringerung der Treibhausgas-Emissionen, sondern auch mit Landnutzung und Biodiversitätszielen verknüpft.
Im Jahr 2021 wurde das Europäische Klimagesetz in Ergänzung zum European Green Deal verabschiedet. Im Vordergrund stehen allgemeine Ziele, wie z.B. die Begrenzung der Erderwärmung durch den Klimawandel auf 1,50C, um damit mögliche negative Folgen für Natur und Mensch zu reduzieren.
Alle Wirtschaftszweige – u.a. Verkehr, Landwirtschaft und Landnutzung – sollen dazu beitragen, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. Verkehrsbedingt Emissionen sind bis 2050 um 90% zu senken. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Wiederherstellung von Ökosystemen, um natürliche CO2-Senken zu erhalten oder zu verbessern, die biologische Vielfalt zu fördern und gleichzeitig den Klimawandel zu bekämpfen.
Biokraftstoffe bzw. Kraftstoffe auf der Basis von Biomasse werden nicht angesprochen. Allerdings wird in einer damit verbunden Verordnung zur Schaffung einer nachhaltigen Infrastruktur u.a. in den Bereichen Verkehr und Energie („Connection Europe, 7.Juli 2021) von zu fördernder Dekarbonisierung*** durch die Verwendung alternativer Kraftstoffe unter Einhaltung des Grundsatzes der Technologieneutralität (siehe hier). Ziel ist die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen so weit wie möglich zu verringern.
***Wirtschaftsweise verbunden mit dem Verzicht auf die bisher eingesetzten kohlenstoffhaltigen Energieträger
Bereits im Jahr 2019 wurde das Bundesklimaschutzgesetz (KSG) verabschiedet. Allerdings erfolgte 2021 mehrere Änderungen, da die nationalen Klimaschutzziele bezüglich der Emissionen nicht über 2030 hinausgingen. Das ursprüngliche Ziel der Klimaneutralität wurde um 5 Jahre vorgezogen und Zwischenziele festgelegt. So wurde z.B. die THG-Minderung für 2030 gegenüber 1990 von 55 auf 65 Prozent und für 2040 auf 88 Prozent erhöht. Wie die neuen Minderungsziele aufgeteilt werden, soll 2024 entschieden werden. Erstmals im Jahr 2024 und dann alle zwei Jahre wird ein Klimaschutzbericht erstellt, der u.a. Aussagen zur Treibhausgasminderungswirkung enthalten muss.
Von Kraftstoffen im engeren Sinne wird nicht gesprochen. Aber die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien und die Wahl möglichst klimaschonender Verkehrsmittel soll erreicht werden. Außerdem soll die zukünftige Besteuerung fossiler Kraftstoffe neu geregelt werden.
Insgesamt gesehen weisen in Europa bzw. in Deutschland die Richtlinien, Verordnungen und Gesetze darauf hin, dass die Herstellung der Biokraftstoffe in der ersten Generation heute kritischer gesehen wird, als noch vor ein paar Jahren. Dabei spielen vorwiegend die Gesichtspunkte der Landnutzung und der Treibhausgasemissionen wichtige Rollen.
Auffallend ist weiterhin, dass gleichzeitig nur sehr zögerlich auf die mögliche Herstellung von Biokraftstoffen in der zweiten Generation – ausgehend von Reststoffen und Abfällen – verwiesen wird. Dazu ist anzumerken, dass die damit verbundenen Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Energiebilanz zum Teil auch umstritten sind.
So gut wie gar nicht werden die Herstellungsverfahren von Biokraftstoffe in der dritten und vierten Generation genannt. Der Grund liegt darin, dass sie im Vergleich zu den anderen Biokraftstoffen und auch fossilen Kraftstoffen als unwirtschaftlich bezüglich ihrer Herstellung angesehen werden (siehe auch hier).
In außereuropäischen Ländern bzw. global gesehen, ist zurzeit – im Jahr 2022 – davon auszugehen, dass die Kraftstoffherstellung auf der Grundlage von Anbaubiomasse – erste Generation der Biokraftstoffe – weiter zunimmt.
Das gilt vor allem für den Anbau von Mais in den USA und für den Zuckerrohranbau in Brasilien zum Zweck der Bioethanolherstellung (siehe auch Mat.II).
Im Jahr 2021 wurde allerdings in den USA in einer parteiübergreifenden Gesetzesvorlage angestrebt, die 2015 festgelegten Förderungsmittel für den Maisanbau zum Zweck der Bioethanolherstellung einzuschränken („Corn Ethanol Mandate Elimination Act“). Ausgangspunkte dieser Forderung sind geänderte Einschätzungen zur THG-Bilanz der Bioethanolherstellung aus Mais-Anbaubiomasse. Hauptkritikpunkte sind die direkte und indirekte Landnutzung, die Freisetzung von treibhausrelevanten Stickoxiden (siehe hier) und die damit verbundenen Bildung von bodennahem Ozon. Nicht nur aus den zuvor genannten Gründen, sondern weil die Mineralölunternehmen Verluste befürchten, ist auch der unbegrenzte Vertrieb von E15 statt E10 (= der jeweilige Anteil an Bioethanol in Prozent) in den USA umstritten bzw. führt zu Rechtsstreitigkeiten.
Der Verband der Mais-Farmer („National Corn Growers Association“) und die Biokraftstoffindustrie der USA widersprechen diesen Vorwürfen aus jeweils ihrer Sicht – jede „Seite“ verweist auf entsprechende Untersuchungen.
Häufig wird in Zusammenhang mit der Reduzierung der THG-Reduktion und damit der Verbesserung der CO2-Bilanzen von einer zu erreichenden CO2-Neutralität gesprochen.
CO2-Neutralität
CO2-Neutralität bedeutet nicht, dass bei einer Aktivität / einem Prozess kein CO2 freigesetzt (= emittiert) wird. Gemeint ist, dass aufgrund einer menschlichen Aktivität keine Zunahme der Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre erfolgt. Mit einer CO2-Neutralität ist allerdings nicht zwingend eine Klimaneutralität verbunden, da auch andere Faktoren menschlichen Handelns zum Klimawandel beitragen. Zum Beispiel die Entstehung von Wasserdampf durch Flugzeuge oder die Emissionen von Methan.
Da die Kohlenstoffdioxid-Konzentration mit der Erwärmung der Erdatmosphäre korreliert, stellt sich hier die Frage, wie viel CO2 die Menschheit noch in die Atmosphäre abgeben darf, damit ein bestimmter Temperaturwert nicht überschritten wird. In diesem Zusammenhang wird von „CO2-Emissions-Budget“ gesprochen.
CO2-Emissions-Budget
Das CO2-Emissions-Budget legt fest, wieviel CO2 aus anthropogenen Quellen noch freigesetzt werden darf, um mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine globale Erwärmung über ein gesetztes Ziel hinaus – in diesem Fall 1,5 oC – nicht zu überschreiten.
Entsprechende Berechnungen weisen darauf hin, dass die damit verbundene Netto-Null-Emission in Bezug auf Treibhausgase zwischen 2015 und 2060 erreicht werden muss. Dabei müssen auch Maßnahmen berücksichtigt werden, die die bereits in der Atmosphäre vorhandene CO2-Menge reduzieren, z.B. die Anpflanzung von Wäldern oder auch der Einsatz technischer Mittel.
Nach Aussagen der „UN Climate Change Conference in Katowice / 2018“ wurden von den CO2-Senken im Jahr 2017 zwischen 9,5 und 11 Gt CO2 gebunden. Im gleichen Zeitraum betrug die CO2-Freisetzung weltweit mehr als 30 Gt. Damit wurde nach Auffassung fast aller Wissenschaftler die weltweite Erwärmung durch den Treibhauseffekt vorangetrieben.
Eines der ganz großen Probleme ist in diesem Zusammenhang auch der brasilianische Regenwald. Da die Regierung den Regenwald als reinen Wirtschaftsfaktor und nicht als eine der wichtigsten CO2-Senken der Welt ansieht, wird immer mehr davon – vor allem durch Brandrodung – in Flächen für den Zuckerrohranbau oder in Weiden für die Viehzucht umgewandelt. Im Jahre 2020/21 hatte die gerodete Fläche Regenwald etwa der Größe von Schleswig-Holstein.
Angestrebt werden soll ein weltweites Gleichgewicht bezüglich der Aufnahme von CO2 und der Freisetzung des Treibhausgases CO2 und anderer Treibhausgase. Dieses wird auch als „Klimaneutralität“ bezeichnet.
Klimaneutralität
Bei Erreichen eines weltweiten Gleichgewichtes von Emission und Aufnahme von CO2 (= Netto-Null-Emission) sowie der Reduzierung bzw. Vermeidung anderer klimaschädlicher Emissionen kann von Klimaneutralität gesprochen werden.
Die Vielfalt der CO2-Quellen sind leicht erkennbar (Abb. AV EB_6-1 Kohlenstoffkreislauf). Bei den so genannten Aufnahmeorten von Kohlenstoffdioxid spricht man von CO2-Senken. Dazu gehören vor allem Wälder, Graslandschaften, Böden, Seen und Ozeane.
Im Kontext der drei zuletzt definierten Begriffe soll im Rahmen von Aufgaben nochmals auf die unterschiedlichen Meinungen zur Umweltverträglichkeit der Biokraftstoff-Herstellung eingegangen werden (siehe auch Abb. AV EB_6-2).
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(IPCC Quelle: https://www.ipcc-nggip.iges.or.jp/faq/faq.html dort Q2-10 / Auszug (Zugriff: 2020-12-10):
*Als „nachhaltig“ werden von der IPCC alle Energiequellen bezeichnet, die erneuerbar sind. |
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Abb. Mat.I-3 Herstellung von Biokraftstoffen – ein Stoffkreislauf? |
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Die Bearbeitung der Aufgaben führt in der Regel dazu, die Aussage B / Aufg.2 als zutreffend für die Biokraftstoff-Herstellung zu wählen. Das ist grundsätzlich richtig, reicht jedoch für eine vollständige sachlich-kritische Auseinandersetzung mit der Thematik „Biokraftstoffe“ nicht aus.
Zu bedenken ist nämlich, dass es vier Generationen der Biokraftstoff-Herstellung gibt (siehe hier), wobei
Wie bereits am Ende des vorherigen Abschnittes gesagt, kann die Herstellung von Biokraftstoffen in der dritten und vierten Generation im Kontext der Treibhausgase grundsätzlich positiv gesehen werden. Allerdings gibt es keine Daten bzw. Bilanzierungen, die Auskunft darüber geben, inwieweit sich entsprechende Verfahren dabei der Klimaneutralität nähern oder sie gar erreichen. Denn auch hier darf nicht übersehen werden, dass Energie aufgewendet werden muss, um die mithilfe der Mikroorganismen gewonnenen Produkte weiterzuverarbeiten.
zur Linkliste (2)
(3) Treibhausgase und die Nutzung von Landflächen (Landnutzungsänderung, CO2-/Kohlenstoffschuld)
Mit der Ausnahme von Algen benötigen Pflanzen, die zur Herstellung von Biokraftstoffen genutzt werden, Landflächen (siehe auch Mat.II ).
Bei ihnen handelt es sich entweder um Die Umwandlung entsprechender Gebiete zur Nutzung für die Biokraftstoff-Herstellung wird als „Landnutzungsänderung“* bezeichnet.
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*Die Begriffe in-/direkt werden nicht nur in Zusammenhang mit der Umnutzung von Flächen für die Biokraftstoff-Herstellung genutzt, sondern z.B. auch im Rahmen von Straßenbau, Anlage von Industrieanlagen etc.
Beide Begriffe haben im Kontext des Begriffes „CO2-Bilanz“ (siehe hier) eine andere Bedeutung.
5. Erläutere die Definition zur Landnutzungsänderung nochmals anhand des folgenden Fließdiagramms und nenne mindestens zwei mögliche Probleme, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden sollten. | |
zu Aufg.5
Probleme könnten z.B. sein: |
Landnutzungsänderungen sind in der Regel mit der Schaffung einer sogenannten „Kohlenstoffschuld (carbon dept)“ verbunden und stehen damit in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kohlenstoffkreislauf und dem menschengemachten Treibhauseffekt bzw. dem Klimawandel. Mehrere der in den Abschnitten (1) und (2) genannten Begriffe, z.B. CO2-Bilanz, -Fußabdruck oder -Budget stehen in enger Beziehung zur Kohlenstoffschuld.
Kohlenstoffschuld / -verschuldung (carbon dept)
Wird lebende oder tote Biomasse im Ökosystem vernichtet ist dieses mit der Freisetzung bestimmter Mengen an Kohlenstoff in Form von Kohlenstoffdioxid verbunden. Das Kohlenstoffdioxid gelangt in die Atmosphäre und wirkt dort als klimaschädliches Gas. Pflanzliche Biomasse auf dem Land und die Meere besitzen ein begrenztes Aufnahmevermögen dieses Gases. Es entsteht ein Ungleichgewicht bezogen auf das gespeicherte bzw. freigesetzte Kohlenstoffdioxid. In diesem Fall spricht man von einer Kohlenstoffschuld des Verursachers. (siehe CO2-Budget)
Wesentlich umfassender, aber auch noch schwieriger durch Werten auszudrücken als der Begriff der Kohlenstoffschuld ist der Begriff „Klimaschuld“.
Klimaschuld (climate dept)
Die Klimaschuld beinhaltet ebenso wie die Kohlenstoffschuld die Menge an Emissionen von Treibhausgasen, bezieht sich aber darüber hinausgehend auch auf die damit verbundenen Klimaereignissen (Überschwemmungen, Dürren, Stürme, etc.).
Ein weiterer Bestandteil der Klimaschuld bezieht sich auf die notwendigen Um- bzw. Neustrukturierung innerhalb der jeweiligen Gesellschaft und den damit verbundenen Kosten, z.B. in Hinblick auf Landwirtschaft, Mobilität, Handel und Dienstleistungen.
Schließlich bezieht sich ein dritter Teil der Klimaschuld auf deren maßgebliche Verursacher, in erster Linie die reichen Industrieländer. Sie müssten danach den größten Teil der Wiedergutmachung leisten, da ein starker Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen besteht.
Durch Änderungen im menschlichen Handeln (Umgestaltung von Produktionsverfahren, Verzicht und Umstieg auf andere Produkte, Rekultivierungsmaßnahmen) können Treibhausgasemissionen – auch Methan und Stickstoffdioxid – reduziert und sogar eine gewisse Menge an Kohlenstoffschuld an das vom Menschen beeinflusste bzw. veränderte Ökosystem „zurückgezahlt“ werden (CO2-Amortisationszeit (Carbon Payback Time)). Im konkreten Fall dauert dieses aber immer wesentlich länger als die zuvor erfolgte Kohlenstoffverschuldung (siehe Tab.1).
Das zuvor Gesagte betrifft nicht nur die Herstellung von Biokraftstoffen – vorwiegend im Rahmen der ersten und zweiten Generation – , sondern auch andere Eingriffe in die Natur. Dazu gehören etwa Umwandlung von tropischem Regenwald bzw. Wäldern und Wiesen in Flächen für die Viehzucht oder den Anbau von Nutzpflanzen sowie die Anlage von großen Industrieflächen auf Grünland.
Zur Verdeutlichung dieser Sachverhalte folgende Grundlagen:
Jede Form von Biomasse hat mit Kohlenstoffspeicherung im Rahmen des Kohlenstoffkreislaufes zu tun. Dabei wird unterschieden zwischen Kohlenstoff, der in
– lebender Biomasse (Pflanzen, Tieren, Bakterien) oder
– toter Biomasse (organische Bestandteile des Bodens)
gebunden ist (siehe auch Kap.2 ).
Der Kohlenstoffgehalt in toter und lebender Biomasse ist weltweit etwa 2,7 mal so groß wie der in der Atmosphäre in Form von CO2.
Werden Grünland (Wiesen, Weiden, Buschland), Wälder oder Feuchtgebiete (Moore, Sumpfgebiete) umgewandelt, um neue Anbauflächen für die Lebensmittelversorgung oder den Anbau von Rohstoffen für Biokraftstoffe zu schaffen, wird ein großer Teil des dort in der Biomasse gespeichertem CO2 in die Atmosphäre freigesetzt.
Auch die Umnutzung von Flächen für die Lebensmittelerzeugung in Flächen für den Anbau von Biokraftstoff-Rohstoffen (= Energiepflanzen) zeigen vergleichbare Effekte. Die Böden werden gepflügt, um ihn zu lockern und zu belüften. Pflanzenreste und verschiedenste Bodenorganismen werden in den Boden eingearbeitet und dort zersetzt. Damit ist ebenfalls die Freisetzung von CO2 verbunden.
Im Rahmen der zuvor genannten Prozesse kommt es auf diesen Flächen außerdem zum Verlust weiterer Nährsalze im Boden (Stoffe, die Stickstoff, Kalium oder Phosphor enthalten) und zur Abnahme der ursprünglich dort vorhandenen Artenvielfalt (siehe (4) Biodiversität).
Befürworter der Herstellung von Biokraftstoffen der ersten und zweiten Generation argumentieren, dass unter dem Gesichtspunkt der THG-Emissionen diese Kraftstoffe
Diese Tatsachen müssen nach Meinung der Befürworter auch im Rahmen der zuvor genannten Landnutzungsänderungen berücksichtigt werden. Kritiker sehen in diesen Argumenten nur wenig Positives in Bezug auf die Gesamtproblematik.
Auch der Faktor „Zeit“ relativiert diese Aussagen in hinsichtlich ihrer Bedeutung. Die Daten aus einer der dazu durchgeführten Untersuchungen machen das deutlich. Zu den aufgeführten Werten ist anzumerken, dass nicht der Einzelwert interessant ist, sondern die Dimensionen.
Land | Landnutzungsänderung / verändertes Ökosystem |
Herstellung aus ….. für | Carbon Payback Time (Jahre) |
USA | Grasland | Mais – Ethanol | 93 |
Brasilien | Weise | Zuckerrohr – Ethanol | 4 |
Brasilien | Savanne | Zuckerrohr – Ethanol | 17 |
Brasilien | trop. Regenwald | Zuckerrohr – Ethanol | 45 |
Brasilien | trop. Regenwald | Soja – Biodiesel | 319 |
England | Wald | Weizen – Ethanol | 80-140 |
Malaysia | Sumpfgebiet | Palmöl – Biodiesel | 426 |
Mat.I-Tab.1 Landnutzungsänderung und „Carbon Playback“ Quellen: Auszüge aus Fargione J, Hill J, Tilman D, Polasky S, Hawthorne P, 2008: Land clearing and the biofuel dept. Science 319 / Elisa Dunkelberg, u.a. Fair Fuels? Working Paper 1, LCA-basierte Umweltbewertung von Biokraftstoffen. Institut f. ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin 2011 |
Wie bereits an anderen Stellen deutlich wurde, wird die Landnutzungsänderung mit dem Ziel der Biokraftstoff-Herstellung noch unter einem weiteren Gesichtspunkt kritisch diskutiert (siehe u.a. Abb. AV EB_6-2), nämlich der Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion.
Vor allem die erste Biokraftstoffgeneration, die hauptsächlich auf den Rohstoffen Zuckerrübe, Zuckerrohr, Mais, Weizen, Soja und Raps basiert, wird von Kritikern als Konkurrenz zur Produktion von Lebensmitteln angesehen. Es wird befürchtet, dass für die Ernährung notwendige Landflächen in Flächen für den Anbau von Rohstoffen für die Biokraftstoff-Herstellung der ersten Generation umgewandelt werden. Dadurch könnte man in der Regel einen höheren Gewinn erwirtschaften. Es wird diskutiert, inwieweit damit der Bedarf an Biokraftstoffen zu einem regionalen oder sogar globalen Mangel an Lebensmittelpflanzen – vor allem Getreide – beitragen kann. Letztlich geht es um die Frage, ob es ein Nebeneinander von „Tank und Teller“ geben kann (siehe auch Mat.II ).
In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass nicht nur die FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) darauf hinweist, dass die verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen immer mehr abnehmen, nicht zuletzt durch den stattfindenden Klimawandel. Selbst wenn wirklich weniger CO2 bei der Biokraftstoffherstellung emittiert wird, muss die damit verbundene Landnutzung in der CO2– bzw. Ökobilanz ebenfalls (siehe hier) mit berücksichtigt werden.
Die Befürworter der Landnutzungsänderung zugunsten der Biokraftstoffe widersprechen einer derartigen Konkurrenzsituation. Sie weisen auf die Möglichkeiten zukünftiger Erhöhung der Erträge durch verbesserte Agrartechnik und den verstärkten Einsatz der Biotechnologie hin. Außerdem wird dafür plädiert, für den Anbau infrage kommender Rohstoffe Flächen zu nutzen, die nicht für die Lebensmittelmittelproduktion geeignet sind (siehe z.B. Mat.XI ).
Das Problem der Versorgung einer wachsenden Erdbevölkerung (2020 ca. 7,8 Mrd. / 2050 ca. 9,8 Mrd.) wird von den Befürwortern der Biokraftstoff-Produktion im Rahmen der ersten Generation vorrangig als Verteilungsproblem gesehen.
Letztlich ist es eine politische Entscheidung, wofür Landflächen genutzt werden. Für Europa wurde im Juni 2018 die sogenannte Richtlinie REDII (Renewable Energy Directive). Sie legt u.a. fest, dass zukünftig Gebiete mit hohem Kohlenstoffbestand (Feuchtgebiete, Moore, trop. Regenwald, Urwälder) im Sinne der Nachhaltigkeit (siehe hier) nicht mehr für die Gewinnung von Rohstoffen für die Biokraftstoff-Herstellung der ersten und zweiten Generation genutzt werden dürfen. Eine darauf bezogene Überwachung und Kontrolle soll von unabhängigen Zertifizierungsfirmen durchgeführt werden, die zuvor von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) anerkannt werden. Ähnliches gilt für die USA, Ausnahmen sind dort vorgesehen.
Realistischerweise muss man jedoch davon ausgehen, dass zumindest weltweit die 1. Biokraftstoff-Generation mit Sicherheit noch über Jahre hinweg dominieren wird. Während in Europa vorrangig das Problem der Landnutzungsänderung mit ihren Folgen gesehen wird, spielt dieses ansonsten weltweit kaum eine Rolle. Allein die USA haben im Frühjahr 2020 ca. 38. Mio. Hektar Mais angebaut*. Das ist mehr als die Fläche von Deutschland (35.734.000 Hektar). Es wird davon ausgegangen, dass mindestens 40 % davon für die Ethanolproduktion verwendet werden.
*(Meldung agrarheute 01.04.20)
Orientiere dich an der „Kleinen Anfrage“ versuche, die folgenden Fragen zu beantworten.
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Die Herstellung von Biokraftstoffen in der dritten und vierten Generation spielt in den zuvor erläuterten Zusammenhängen keine Rolle. Im Rahmen des Einsatzes von Algen und/oder Bakterien – egal ob in offenen oder geschlossenen Systemen – werden keine größeren Land- oder Wasserflächen benötigt.
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(4) Veränderte Landflächen und biologische Vielfalt (Biodiversität, Artenvielfalt, -vernichtung)
Den Begriff der „Biodiversität“ gibt es erst seit 1986. Er entstand aus der Erkenntnis, dass die Gefährdung der biologischen Vielfalt nicht nur bestimmte Pflanzen- und Tierarten betrifft, sondern auch ein zunehmendes Problem für die Zukunft der Menschheit darstellt. Häufig wird dieser Begriff fälschlicherweise mit dem Begriff der Artenanzahl in einem Raum gleichgestellt. Die damit verbundenen quantitativen Betrachtungen allein sagen aber nicht unbedingt etwas über die Qualität eines Ökosystems aus.
Biodiversität
Die Biodiversität beschreibt die Vielfalt der Arten eines Ökosystems, deren genetische Vielfalt sowie die Vielfalt der Biotope und ökologischer Nischen eines Raumes, kurz gesagt, sie beschreibt die Vielfalt des Lebens. Der Begriff beinhaltet also wesentlich mehr als die bloße Artenvielfalt eines Ökosystems.
Aussagen zum Maß der Biodiversität in einem Raum zu treffen ist sehr komplex, da immer ein System von Indikatoren bzw. Faktoren analysiert werden muss.
Der weltweit zunehmende Biodiversitätsverlust ist eine Folge des Wandels von Umweltbedingungen. Dabei kann es sich um die Veränderung einzelner oder mehrerer Faktoren, wie z.B. Temperatur, Feuchte, etc., um die Wirkung von Schadstoffen, aber auch um Landnutzungsänderungen handeln. Maßnahmen wie die Schaffung von Schutzgebieten, z.B. Nationalparks, oder die Extensivierung der Landnutzung können Beiträge zur Verbesserung der Biodiversität sein.
Der Klimawandel – und damit auch der CO2-Haushalt – beeinflusst alle Indikatoren bzw. Faktoren, die in Zusammenhang mit Biodiversität stehen.
ergänzt/orientiert an: Zebisch, M. (2004): Modellierung der Auswirkungen von Landnutzungsänderungen auf Landschaftsmuster und Biodiversität. Technische Universität Berlin; Berlin, 2004 (Diss.)
Aufgabe heutiger und zukünftiger Forschung ist die Festlegung bzw. Verbesserung von Kriterien zur Beurteilung der Biodiversität im Sinne eines qualitativen Bewertungssystems und natürlich die Durchsetzung entsprechender Forderungen.
Grundlagen dazu liefert das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und die sogenannte Biodiversitätskonvention aus dem Jahr 2018. Weitere Konferenzen zu diesem Themenbereich sind aufgrund der Corona-Situation in das Jahr 2021 verschoben worden.
In Zusammenhang mit der Herstellung von Biokraftstoffen – denen in der 1. und teilweise auch in der 2. Generation – spielt der Begriff Biodiversität in mehrfacher Hinsicht eine Rolle: 1. Zum einen sind es die bereits vorhandenen Flächen für Energiepflanzen – Palmölplantagen, Mais, etc. (siehe auch Mat.II ) – bei denen es sich immer um Monokulturen handelt. In Hinblick auf alle genannten Ebenen der Vielfalt kommt es dort zu massiven Störungen bzw. Schädigungen. Vor allem durch den in der Regel notwendigen Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Düngemitteln entstehen künstlich geschaffene Räume ohne biologisch-ökologische Wertigkeit. 2. Zum anderen sind es direkte und indirekte Landnutzungsänderungen (siehe hier), die zu einer Ausweitung der Monokultur-Flächen für Energiepflanzen führen und damit auch Wiesen, Moore, (trop.-) Wälder, etc. und die dort vorhandene Biodiversität negativ beeinflussen. 3. Schließlich wird auch diskutiert, inwieweit die CO2-Bilanzen der Biokraftstoff-Herstellung mit zur Abnahme der Biodiversität beitragen können.im Kontext der Biodiversität müssen allerdings auch die Biokraftstoffe der 3. und 4. Generation genannt werden. Die Arbeit mit optimierten Organismen (Mikro-, Makroalgen und Bakterien) können im ungünstigen Fall auch zu negativen Veränderungen in Ökosystemen bzw. Biozönosen führen. Entsprechende Maßnahmen sollen das verhindern (siehe Mat. XIV). |
Befürworter der Biokraftstoffe aus Energiepflanzen der ersten Generation, vertreten die Meinung, dass es durchaus möglich ist, mit deren Anbau Beiträge zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Biodiversität zu liefern,
In welchem Umfang diese Gesichtspunkte einen Ausgleich zu den negativen Auswirkungen des Anbaus von Energiepflanzen für die Biokraftstoff darstellen, ist umstritten. |
9. Die Einflussnahme auf Arten bis hin zu deren Verschwinden aus einem Biotop steht u.a. in Zusammenhang mit den Begriffen „Toleranz“ und „ökologische Potenz“. Das bedeutet, dass durch die Veränderung von Landflächen sich die Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere ändern. Manche Arten werden das überleben, andere nicht. Besonders gefährdet sind Arten, die einen relativ engen Toleranzbereich aufweisen (= stenöke Organismen) im Unterschied zu denen, die einen relativ breiten Toleranzbereich (= euryöke Organismen) besitzen. a. Erläutere diese Aussage mithilfe des Arbeitsmaterials AW5a. b. Begründe, warum gerade Spezialisten im Tierreich von Veränderung in der Umwelt besonders betroffen sind. |
Die Herstellung von Biokraftstoffen in der dritten und vierten Generation hat unmittelbar keine Schnittpunkte zu den Inhalten dieses Abschnittes. Allerdings kann nicht übersehen werden, dass die Arbeit mit gen- bzw. biotechnisch veränderten Algen und Bakterien im ungünstigen Fall auch negative Einflüsse auf Ökosysteme haben kann.
Deshalb wird im Rahmen eines weiteren Materials (siehe Mat.XIV) gesondert auf die Fragen nach der Sicherheit im Rahmen der Nutzung von Algen und Mikroorganismen für die Biokraftstoff-Herstellung eingegangen.
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Zunehmend wird gefordert, bei der Produktion von Gütern mit den Ressourcen hauszuhalten und nicht auf Kosten zukünftiger Generation zu wirtschaften. Alle damit im Einzelnen zu verknüpfenden Fragen, Aufgaben und Aktivitäten können unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ zusammengefasst werden.
In Hinblick auf die Biokraftstoffe betrifft dieses u.a. die Frage nach der CO2-Bilanz, deren Beurteilungen in Hinblick auf Landnutzungsänderung, Biodiversität oder ihre Beurteilung in Hinblick auf eine mögliche Lebensmittelkonkurrenz.
Nachhaltigkeit* / nachhaltige Entwicklung (sustainable development)
Nachhaltigkeit beruht auf ökologischem, ökonomischem, sozialem und politischem Handeln mit dem Ziel, dass zukünftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als die gegenwärtig lebende Generation.
Im Sinne des Systemdenkens bedarf es einer entsprechenden Ressourcennutzung, der Erhaltung stabiler Ökosystemen, der Einbettung natürlicher Grundlagen in ein Umfeld mit angemessener Bildung und Kultur sowie der Nutzung integrierter Technologien.*Von „nachhalten“ wurde früher gesprochen, wenn man Vorräte für schlechte Zeiten zurücklegte.
Das Werkzeug, den Begriff „Nachhaltigkeit“ greifbarer und damit beurteilbarer zu machen, basiert auf der sogenannten „Ökobilanz“ (siehe auch Aufg. 10).
Ökobilanz
Die Ökobilanz hat ihren Schwerpunkt in einer systematischen Analyse und Bewertung aller möglichen schädlichen Wirkungen auf die Umwelt. Sie umfasst jegliches Produkt und vielfältige Dienstleistungen. Neben möglichen Schadwirkungen auf die Umweltmedien (Wasser, Boden Luft) und die dort vorkommenden Lebewesen werden Rohstoffgewinnung und -einsatz, Energieaufwand und -art sowie Entsorgungsprozesse berücksichtigt. Die Vorgehensweise zum sogenannten Umweltmanagement bestimmen festgesetzte Normen. Für das Umweltmanagement sind das die ISO 14000-Normen. Sie werden alle 5 Jahre überarbeitet bzw. aktualisiert. Beispiele sind ISO 14040: Umweltmanagement – Ökobilanz oder ISO 14064: Umweltmanagement – Messung, Berichterstattung und Verifizierung von Treibhausemissionen.
Ökobilanzen werden somit unverzichtbar, um dem Kimawandel zu begegnen.
*DIN = „Deutsches Institut für Normung (DIN)“ / EN = europäische Norm / 14001 = Nummer der Norm
siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Umweltmanagementnorm (Zugriff: 2020-10-12)
Die Abb. Mat.I-16 listet Kriterien auf, die Grundlage für die Erstellung einer Ökobilanz sein können. In der Realität ist jedes einzelne Kriterium weiter unterteilbar und mehr oder weniger quantifizierbare Eigenschaften.
Das entscheidende Ziel dieser Ökobilanz liegt in der Überprüfung eines Unternehmens bzw. eines Produktionsprozesses in Hinblick auf mögliche ökologische Schwachstellen und Maßnahmen für eine entsprechende Optimierung. Von besonderer Bedeutung ist die Erfassung von Stoff- und Energiebilanzen im Sinne von In- und Output. Das Ergebnis einer Ökobilanz soll konkrete bzw. quantifizierte Aussagen enthalten, die dazu beitragen, nachhaltiges Handeln zu verwirklichen, die auch den Klimawandel „ausbremsen“ können.
Die Durchführung bzw. die Überwachung und Beurteilung der Analysen auf den Grundlagen der verschiedenen Norm-Vorgaben erfolgt durch zertifizierte Institutionen bzw. Firmen.
Die Kritik an den Verfahren zur Erstellung einer Ökobilanz beziehen sich auf eine teilweise nicht vollständige Verfügbarkeit von Daten. Manchmal sind sie aus betriebsinternen Gründen nicht zugänglich, in anderen Fällen kaum messbar. Grundsätzlich ist aber durch die Schaffung eines Kontrollsystems im Sinne von Ökobilanzen eine deutliche Verbesserung der Umweltsituation – zumindest in Teilen Europas – erfolgt.
Vor allem außereuropäisch gesehen bestehen bezüglich der Erstellung einer Ökobilanz für die Biokraftstoffherstellung weiterhin große Mängel. Behoben werden könnten diese nur durch eine entsprechende Politik des jeweiligen Landes.
Ein weiteres Problem über das immer wieder im Rahmen der Ökobilanzerstellung für die Biokraftstoff-Herstellung – vorwiegend in Bezug auf die 1. Generation der Biokraftstoffe – gestritten wird, sind die sogenannten „Kopplungsprodukte“ (siehe Nebenprodukte / z.B. Mat.IV oder Mat.VI). Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen, wie diese im Einzelnen genau in der Ökobilanz einzubringen sind.
Auf den ersten Blick der Ökobilanz sehr ähnlich ist die sogenannte „Lebenszyklusanalyse“ (Abb. Abb. Mat.I-17).
Lebenszyklusanalyse (= life cycle assessment / LCA)
Eine LCA beinhaltet eine systematische Analyse eines Produktes oder einer Dienstleistung. Inhaltlich werden sämtliche Umweltwirkungen auf alle mit dem Produkt oder der Dienstleistung verbundenen Prozesse (Rohstoffgewinnung, Bearbeitungsmaßnahmen, Hilfsstoffe, Abfälle, Energieeinsatz, Emissionen, etc.) betrachtet.
Dieses erfolgt entweder für den gesamten „Lebensweg“ oder darin enthaltener Abschnitte. Dabei wird unterschieden zwischen „Wiege bis Werkstor (= cradle-to-gate)“, „Wiege bis Lebensende (= gradle-to-crave)“ und „Wiege bis Wiege (= cradle-to-cradle)“ Letzteres betrifft recyclingfähige Produkte, die wieder in den Stoffkreislaufzurückgeführt werden du damit Energie und Stoffe einsparen.
Die Ergebnisse der LCA sind Grundlage für nachhaltige Strategien und umfassende Konzepte. Die Weiterentwicklung der LCA sollte auch ökonomische, technische und soziale Aspekte einbeziehen.
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Auch wenn dieses Arbeitsvorhaben zu den Biokraftstoffen weitestgehend auf der Biologie basiert, kann in den hier behandelten Zusammenhängen nicht übersehen werden, dass die Begriffe „Wirtschaft“ bzw. „Wirtschaftlichkeit“ – auch im Kontext der Biokraftstoffe – eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Rolle spielen. Dieses zeigt sich z.B. wenn bestimmte Herstellungswege für Biokraftstoffe nicht weiterverfolgt bzw. sogar abgelehnt werden, weil sie im Vergleich zu anderen Herstellungswegen oder den fossilen Kraftstoffen zu niedrige oder gar keine Gewinne erbringen.
Auf diesen Bereich soll zumindest kurz eingegangen werden. Weitere Informationen sind u.a. den unten angegebenen Quellen zu Abschnitt (5) zu entnehmen.
Wirtschaft (= Ökonomie), Wirtschaftlichkeit
Wirtschaft oder Ökonomie (griech.: oikonomia „Hausverwaltung“) umfasst alle Einrichtungen und Handlungen, die zur planvollen Verwirklichung menschlicher Bedürfnisse dienen.
Wirtschaftlichkeit wird vereinfacht definiert über das Verhältnis zwischen dem erreichten Erfolg und dem dazu notwendigen Aufwand. Daraus ist jedoch keine Aussage abzuleiten, ob die Erwartungen einzelner Personen oder Gruppen – häufig in Hinsicht auf Maximierung eines Gewinns – auch erfüllt werden.
In Zusammenhang mit verschiedenen erläuterten Herstellungswegen für Biokraftstoffe wurde bereits an mehreren Textstellen auf die „Wirtschaftlichkeit“ und die damit verbundenen Beurteilungen von Biokraftstoffen und deren Zukunft hingewiesen. Das gilt hauptsächlich für die Biokraftstoff-Herstellung im Rahmen der dritten und vierten Generation. Welchen Stellenwert das Kriterium der Wirtschaftlichkeit dabei unter allen anderen hier genannten Kriterien einnehmen wird, entscheidet letztlich die Politik.
Für eine stärkere Verknüpfung ökologischer Sichtweisen bzw. Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit steht die sogenannte „Bioökonomie“.
Bioökonomie (Biobased economy)
Bioökonomie ist mehr als die Abkehr von einer auf fossilen Energien basierenden Wirtschaft.
Bioökonomie umfasst die Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen (Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen), Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen unter Nutzung angepasster Technologien im Rahmen eines zukunftsfähigen Sozial- und Wirtschaftssystems bereitzustellen. Sie birgt das Potenzial für nachhaltige Lösungen, die Ressourcen schonen und gleichzeitig Wohlstand schaffen. Die Bioökonomie wird damit zu einem bedeutsamen Schlüssel, den Klimawandel zu bekämpfen.
Verändert nach bmbf : https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/energiewende-und-nachhaltiges-wirtschaften/biooekonomie/biooekonomie_node.html
Sowohl in Deutschland als auch in der EU wird versucht, Strategien zur Umsetzung von Bioökonomie zu entwickeln. Ob und in welchem Maße sich diese auch in Hinblick auf die verschiedenen Herstellungswege von Biokraftstoffen durchsetzen, wird sich zeigen.
Bioökonomische Aspekte sind auch Grundlagen des Begriffes „Bioraffinerie“. Dieser Begriff ist nicht neu. Er wurde und wird auch im Rahmen der Anwendung herkömmlicher Verfahren der Biomasseumwandlung, wie z.B. bei der Biokraftstoff-Herstellung in der 1. Generation verwendet. Der Grund war und ist vorrangig die dort vorhandene gezielte Produktion von sogenannten Kopplungs- oder Nebenprodukten (siehe hier). Heutzutage ist damit jedoch mehr gemeint.
In den letzten Jahren haben sich die rechtlichen und politischen Sichtweisen zugunsten der 2. Generation der Biokraftstoffe verändert. In diesem Zusammenhang nehmen Kriterien der Nachhaltigkeit und damit auch bioökonomische Ansätze einen höheren Stellwert bei der Biomasseumwandlung ein. Das hat zur Folge, dass der Begriff Bioraffinerie im Kontext der Biokraftstoffe eher mit dem Lignocellulose-Verfahren (siehe hier) verknüpft wird. Gleiches gilt für die Biokraftstoff-Herstellung in der 3. und 4. Generation, – man spricht von sogenannten Algen-Bioraffinerien. Allerdings ist anzumerken, dass deutschsprachige Veröffentlichungen mit dem zuletzt genannten Begriff nur selten zu finden ist, da er hier bisher fast nur in der Forschung eine Rolle spielt. Die Suche im Internet sollte dementsprechend zusätzlich auch mit dem Suchbegriff „algae biorefinery“ durchgeführt werden.
Bioraffinerie
Biomasse ist ein komplexer Rohstoff, aus dem sich verschiedenste Stoffe und Energieträger, gewinnen lassen. Bioraffinerien sind technische Anlagen, die im Verlaufe von Prozessketten vielfältige Kopplungs- oder Nebenprodukte und Endprodukte herstellen. Alle dazu eingesetzten Verfahren und Technologien sollten nicht nur dem aktuellen Forschungsstand entsprechen, sondern auch den zeitgemäßen Ansprüchen des Umwelt- und Klimaschutzes gerecht werden. Das bedeutet, dass in einer Bioraffinerie immer die Kriterien der Nachhaltigkeit und bioökonomische Ansätze zum Tragen kommen (siehe hier).
Eine große Rolle spielen auch die beiden folgenden Begriffe im Rahmen der Umsetzung von zukunftsorientierten klimaverträglichen Wirtschaftszielen. Beide Begriffe sollten als Einheit gesehen werden.
Technologieoffenheit, Technologieneutralität und Klimawandel
Vor allem die Politik, aber auch Wissenschaften und verschiedenste Wirtschaftsbereiche müssen Entscheidungen treffen, auf welchen Wegen die angestrebte Dekarbonisierung* erreicht werden kann, um den Klimawandel „auszubremsen“. Im Personen- und Güterverkehr müssen dementsprechend neue Antriebsarten und Energieträger entwickelt und eingesetzt werden. Im Mittelpunkt sollte dabei das Ziel stehen, klimaschädliche Technologien zurückzudrängen und klimaverträgliche Technologie zu fördern. Die Politik hat bisher dabei lediglich die Aufgabe einen Regulierungsrahmen zu setzen und zu Innovation anzuregen.
Das weitere Geschehen regelt danach der Markt. Das bedeutet, dass z.B. der Umstieg auf klimaverträgliche Technologien auf Basis eines auf Kosten und Nutzen beruhenden Wettbewerbs stattfindet. Diese Vorgehensweise wird auch als Technologieoffenheit bezeichnet. Diese Vorgehensweise kann in der Praxis dazu führen, dass sogenannte „Marktunvollkommenheiten“, z.B. die Kombination bestimmter Interessen innerhalb vorhandener Machtstrukturen, dazu führen, dass marktbeherrschende Technologien andere Technologien in ihrer Entwicklung hemmen.
An dieser Stelle kann Technologieneutralität ansetzen. Neben den klimapolitischen Aspekten sollten damit vor allem auch langfristiger wirtschaftlicher Erfolg einen angemessenen Stellenwert erhalten. Damit wird neuen Technologien Entwicklungspotenzial verschafft.Begriffliche Grundlagen nach: Lehmann, P. u.a. Technologieneutralität im Kontext der Verkehrswende – Kritische Beleuchtung eines Postulats, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ / Institut für Energie- und Umweltforschung ifeu Heidelberg 2020
erstellt im Auftrag von „Agora Verkehrswende“ https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/technologieneutralitaet-im-kontext-der-verkehrswende-2/
*Wirtschaftsweise verbunden mit dem Verzicht auf die bisher eingesetzten kohlenstoffhaltigen Energieträger
Nach bisherigen Aussagen (Stand Ende 2021) unterstützt die Bundesregierung eine Biokraftstoffpolitik, die zumindest technologieoffen ist.
Ein Wort, das leider in Zusammenhang mit den zuvor erläuterten Begriffen immer häufiger auftaucht, ist das sogenannte „Greenwashing“.
Greenwashing (engl. „Grünwaschen, -färben“)
Verschiedenste Aktivitäten eines Unternehmens oder einer Organisation, die den Eindruck vermitteln sollen, dass deren Handeln auf Nachhaltigkeit beruht und ökologische Verantwortung übernommen wird, auch in Hinblick auf den Klimawandel. Ziel ist, Menschen an das Unternehmen oder die Organisation in irgendeiner Form zu binden – häufig in Zusammenhang mit Konsum.
Zu beachten ist, dass durchaus einzelne Produkte eines Unternehmens oder einzelne Handlungsweisen einer Organisation dieses „Grünwaschen“ widerspiegeln können. Entscheidend ist jedoch, darauf zu achten, ob dieses Prinzip für alle Produkte, Produktionswege und auch Handlungen zutrifft.
Letztendlich geht es um ethisches Verhalten, das umfassend nicht nur Rechtmäßigkeit, sondern auch Offenheit, Glaubwürdigkeit, Wahrnehmungs- und Kommunikationsvermögen beinhaltet – oder eben nicht.
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Eng damit verbunden ist der Begriff „Greenscamming“ ( engl. Scam „Betrug“). Er steht für umweltfreundliche klingende Namen und Bezeichnungen für Produkte oder Organisationen.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Greenscamming
Wie „Biokraftstoffe“ – vor allem die in der 1. Generation – im Kontext von Greenwashing gesehen werden, ist sicherlich umstritten. Dieses zeigt u.a. die Abb. AV EB_6-2 Aussagen zu Biokraftstoffen im Haupttext.
Die Bezeichnung „Green Deal“ ist nicht mit dem Greenwashing gleichzusetzen. Dennoch gibt es doch sehr unterschiedliche Meinungen darüber, in welchem Umfang dieses von der EU geplante Vorhaben und die damit formulierten Vorschläge der EU-Kommission und des Rates in Nachhaltigkeitspolitik umgesetzt werden kann.
Green Deal
Der Green Deal ist ein von der EU vorgesehenes Projekt, das auf der Grundlage einer mehrdimensionalen Sichtweise (Ökologie, Ökonomie, Technik, soziale Fragen, etc.) u.a. bis 2050 die Nettotreibhausemission der EU auf null bringen, weitestgehend eine Kreislaufwirtschaft und Biodiversität verstärkt fördern will.
https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/delivering-european-green-deal_de (Zugriff 2021-11-09)
Kritiker sehen primär in den sehr unterschiedlichen nationalen Interessen einen großen Hemmschuh bei der Umsetzung dieses Vorhabens. Beispiele sind die in diesem Zusammenhang von einigen Ländern positiv gesehene Kernenergienutzung ebenso wie umfangreichen Planung von Projekten in Zusammenhang mit dem begrenzten fossilen Rohstoff „Gas“.
Zu den Biokraftstoffen erfolgen an verschiedenen Stellen Aussagen. Grundsätzlich fällt auf, dass ganz allgemein fast immer von „fortgeschrittenen“ oder „fortschrittlichen“ Biokraftstoffen gesprochen wird. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, wird nicht näher erläutert.
Vermuten lässt sich die Bevorzugung von Biokraftstoffen der zweiten Generation (Lignocelluloseverfahren und Pyrolyse/Gasifikation). Außerdem „sollten“ Biokraftstoffe der ersten Generation – sofern sie in Konkurrenz zu Nahrungs- und Futtermittelanpflanzen stehen – „nicht weiter unterstützt“ werden. Auf die Problematik der indirekten Landnutzung wird eingegangen. Biokraftstoffherstellung in der dritten und vierten Generation spielen keine Rolle.
Gefördert werden sollen solche Technologien zur Biokraftstoffherstellung, die industriell ausgereift sind, ein Nachhaltigkeitspotenzial besitzen und „marktreif“ sind. In Hinblick auf die zuvor erläuterte Technologieoffenheit und -neutralität ist das eine doch etwas mehrdeutige Aussage. Die Politik muss entscheiden!
Die Verwendung von Pflanzen, -teilen oder Mikroorganismen für die Herstellung von Biokraftstoffen kann durchaus zu Berührungspunkten mit den Begriffen Ethik und Moral führen.
Ethik und Moral
Ethik ( griech.: ēthos „Sitte“ / „Gewohnheit“) beschäftigt sich als Wissenschaft mit dem menschlichen Handeln. Dieses ergibt sich aus den jeweils vorhandenen und gültigen Handlungsmustern, -regeln und -prinzipien einer Gruppe, die in ihrer Summe auch als Moral (lat.: moralis „die Sitten betreffend“) bezeichnet werden. Die jeweilige vorherrschende Moral ist wandelbar und kann innerhalb einer Gruppe oder in Teilgruppen in Bezug auf einzelne Sachverhalte sehr unterschiedlich sein. Dieses führt zu Diskussionen und Konflikten.
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