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siehe auch: Haupttext / 1. Generation mit allg. Übersicht und weiteren Aufgaben sowie AB 6_2.2 Palmöl – Lebensmittel, Treibstoff und Ökosystemvernichtung AB 7_2.2 Sojabohnenanbau – in dieser Menge notwendig oder überflüssig? https://de.wikipedia.org/wiki/Raps (Zugriff: 2020-04-02) |
Raps ist eine Pflanzenart aus der Familie der Kreuzblütler. Die Rapssamen werden vor allem zur Gewinnung von Rapsöl für den Lebensmittelbereich, aber auch für die Biodiesel-Herstellung genutzt. In Deutschland ist der Raps seit dem 17. Jh. die wichtigste Ölfrucht.
Das folgende Fließschema zeigt den Prozess der Biodiesel-Herstellung aus Rapssamen. Möglicherweise unbekannte Begriffe werden im Anschluss erklärt. An diesem Herstellungsprozess beteiligte Mikroorganismen und Enzyme werden abschließend behandelt. Einerseits ist es schon faszinierend, wie aus gespeicherter Sonnenenergie ein energiereicher Stoff hergestellt wird. Andererseits wurde im Haupttext bereits deutlich, dass vor die Herstellung von Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation sowohl positiv als auch negativ beurteilt wird (siehe Abb. AB EB_6-1). |
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Biodiesel aus Rapssamen / Fließschema
Falls Infos zum Begriff “Fließschema” benötigt werden, siehe hier.
Nebenprodukte / Kopplungsprodukte
Das Ziel eines Produktionsprozesses ist in der Regel die Herstellung eines Produktes. Im Rahmen einzelner Arbeitsschritte kann es dazu kommen, dass aus verfahrenstechnischen Gründen zwangsläufig ein weiteres Produkt / weitere Produkte entsteht / entstehen. Dabei handelt es sich um sogenannte Nebenprodukte. Sind diese für neue, außerhalb des eigentlichen Produktionsziels befindliche Anwendungen verwertbar, bezeichnet man diese Produkte als Kopplungsprodukte.
Presskuchen
Nach Reinigung und weiteren Arbeitsschritten wird die Ölsaat bei mittlerer Temperatur ausgepresst. Neben dem Press-Öl bleiben Feststoffe zurück, der sogenannte Presskuchen. Nicht abgebildet ist die Möglichkeit, den Presskuchen auch direkt als Futtermittel zu verwerten.
Extraktion
Durch den Einsatz eines Lösungsmittels (Hexan) wird das noch im Presskuchen enthaltene Öl extrahiert (lat.: extrahere , „herausziehen, entnehmen“). Der vom Öl abgetrennte Rückstand, das Extraktionsschrot bleibt zurück. Es wird erhitzt und so die Reste des Lösungsmittels entzogen, das wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden kann.
Schrot
Das Schrot wird getrocknet, abgekühlt und als proteinreiches Tierfutter verwendet.
Raffinerie
In einer Raffinerie werden Rohstoffe gereinigt, in ihre Bestandteile getrennt, zu neuen Stoffen veredelt oder anderweitig verändert.
Entschleimung
Durch die Zugabe bestimmter Chemikalien mit saurem Charakter – vor allem Phosphor- und Zitronensäure – werden verschiedene im Pressöl enthaltene pflanzliche Reststoffe, z.B. Phospholipide (siehe hier), vom Öl abgetrennt. In der sauren Umgebung quellen die Reststoffe auf und bilden einen ölunlöslichen Schlamm, der abgetrennt wird. Durch Zentrifugieren wird daraus das Lecithin entzogen. Der Einsatz von Enzymen zur Entschleimung ist grundsätzlich möglich.
Lecithin
Lecithin (lat.: lekithos, „Eidotter“) ist ein fettähnlicher Stoff und gehört zur Gruppe der Phospholipide (siehe hier). Er ist ein grundlegender Baustein der Zellmembran und hat viele weitere wichtige Funktionen im Körper. Als sogenannter Emulgator (siehe V 2_2.2 Lösung Aufg.1) ermöglicht das Lecithin, dass sich Fett- und Wasserbestandteile in Lebensmitteln nicht wieder voneinander trennen. Einsatzorte sind Lebensmittel- und Futtermittelindustrie.
Neutralisation
Die im Rahmen der Entschleimung entstandene saure Umgebung wird durch Chemikalien mit alkalischem Charakter neutralisiert. Dabei werden auch freie Fettsäuren (siehe hier) mithilfe basischer Lösungen verseift und können so vom Öl abgetrennt werden. Dieses ist der erste Schritt im Rahmen der sogenannten „Raffination“ von Öl.
freie Fettsäuren
Es handelt sich um Fettsäuren, die in Fetten oder Ölen neben den als Ester gebundenen Fettsäuren vorkommen (siehe hier).
Winterisierung
Unbehandeltes Rapsöl wird in kalter Umgebung nach kurzer Zeit fest. Ähnliches würde auch für Biodiesel gelten, würde man nicht durch die Winterisierung vor allem Wachse entfernen. Dabei wird mit wechselnden Temperaturen gearbeitet und ausgeflockte Wachse werden entzogen.
Wachs
Wachs ist ein organischer Stoff, der bei ca. 20oC knetbar, darunter brüchig-hart, aber nicht glasartig ist und bei über 40oC flüssig wird. Er ist löslich in organischen unpolaren Lösungsmitteln.
Bleichung
Mithilfe von Adsorptionsmitteln (Adsorption: Anreicherung von Stoffen an der Oberfläche eines Feststoffes), den sogenannten Bleicherden und/oder Aktivkohle werden dem Öl Farbstoffe entzogen.
Desodorierung
Unerwünschte Geruchsstoffe werden mithilfe von Wasserdampf bzw. Temperaturänderungen entzogen. Dieses ist der letzte Schritt im Rahmen der „Raffination“ von Öl.
Fermenter oder (Bio-) Reaktor
In einem Behälter, dem Reaktor, finden unter kontrollierten Bedingungen chemische, biochemische und/oder physikalische Prozesse mit dem Ziel der Umsetzung bzw. Umwandlung von Stoffen statt.
Umesterung
Als Umesterung (siehe hier) wird eine chemische Reaktion bezeichnet, bei der ein Ester in einen anderen überführt wird. Da es sich bei diesen Reaktionen um Gleichgewichtsreaktionen handelt, müssen bestimmte Reaktionsbedingungen geschaffen werden, um das Gleichgewicht auf die Produktseite zu verschieben. In diesem Fall kommt es zur Reaktion von Triglyceriden mit Methanol zu Fettsäuremethylestern. Der dazu verwendete basische Katalysator ist häufig Natriummethanolat (NaOCH3).
Für die Umesterung sind in den letzten Jahren auch Verfahren entwickelt worden, bei denen aus Mikroorganismen gewonnene Enzyme für die Umesterung eingesetzt werden.
siehe Abschnitt „Mikroorganismen und Enzyme“.
Glycerin
Es handelt sich um einen dreiwertigen Alkohol (C3H8O3). Glycerin liegt in allen natürlichen Fetten und Ölen als Fettsäureester (Triglyceride) vor. Im Körper spielt es eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel. In der Industrie wird es vor im Rahmen der Kosmetikherstellung und der Oberflächenbehandlung – z.B. Skiwachs, Holzversieglung – verwendet.
Hinweis: Zum Hervorheben der Aktivität von Enzymen sind diese in den folgenden Abbildungen als farbige Raute dargestellt. |
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Entschleimung
Der Begriff Entschleimung betrifft die Entfernung von Phospholipiden im Rahmen der Biodiesel-Herstellung (siehe Schema). Trotz der Filterung verbleiben immer noch feine Rückstände im Press-Öl. Dabei handelt es sich um Zellreste bzw. -bestandteile. Im Wesentlichen sind es Phospholipide , die Bausteine der Biomembranen.
Bisher erfolgt die Entfernung dieser Moleküle weitgehend mithilfe verschiedener Chemikalien. Aber auch hier gibt es inzwischen eine umweltfreundliche Lösung, bei der Enzyme die Entfernung der Phospholipide übernehmen. Durch deren Einsatz könnten der Verbrauch von Wasser und Chemikalien sowie das Abwasseraufkommen stark verringert werden.
Allerdings hat sich dieser Weg aufgrund höherer Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren bisher kaum durchgesetzt.
Die Entschleimung leistet z.B. das Enzym Phospholipase A2, das eine der gebundenen Fettsäuren aus dem Phospholipdmolekül abspaltet. Das sehr wirkungsspezifische Arbeiten dieses Enzyms ist notwendig. Andere Lipasen würden die für die Biodiesel-Herstellung benötigten Triglyceride zerstören. Zwecks Wiederverwertung werden die Phospholipasen-Moleküle auf Trägermembranen fixiert.
Phospholipasen spielen ansonsten eine große Rolle im Stoffwechsel bei Tieren und Menschen (z.B. Tiergifte oder Fettstoffwechsel). Verschiedenste tierische und menschliche Gewebe bzw. Zellen waren und sind dementsprechend Ausgangspunkte für die gentechnologische Anpassung von Phospholipasen an die substrat- und wirkungsspezifischen Arbeitsleistungen in Zusammenhang mit der Entschleimung von Press-Öl. Produziert wird die angepasste Phospholipase auf der Grundlage gentechnologisch veränderter Mikroorganismen.
Bisher hat sich diese Methode nicht umfänglich durchgesetzt, da die Kosten wesentlich höher sind als das herkömmliche Verfahren.
Umesterung
Viele Früchte duften einfach wunderbar, z.B. eine frisch aufgeschnittene Ananas oder eine geschälte Orange. Diese Düfte kann man problemlos im Labor herstellen, denn ihre wesentlichen Bestandteile sind – chemisch gesehen – Ester.
Ein Ester besteht aus zwei Teilen, aus einem Alkohol und einer Säure, die sich miteinander unter Abspaltung von Wasser verbunden haben. Dabei haben sie Atome verloren. Deswegen besteht ein Ester nur aus einem Alkoholrest und einem Säurerest.
Es gibt viele verschiedene Alkohole, zum Beispiel Methanol, Ethanol etc. Chemiker können einen Alkohol-Rest durch einen anderen austauschen. Der Säurerest bleibt dabei erhalten. Das erreicht man durch den Einsatz von Chemikalien oder – wie im Folgenden dargestellt – auch mithilfe von Enzymen.
Bei der Umesterung kommt es zur Reaktion von Triglyceriden mit Methanol zu Fettsäuremethylestern. Der dazu verwendete Katalysator ist häufig Natriummethanolat (NaOCH3). Heute gibt es jedoch die Alternative, Enzyme für diese Umesterung einzusetzen. Eine entscheidende Quelle dieser Enzyme ist die Hefe Candida antarctica. Gefunden wurde sie 1983 im ständig vom Eis bedeckten Vandasee in der Antarktis. Im Rahmen mehrjähriger Forschung wurde eine ihrer Eigenschaften, Umesterung unter Einsatz einer ihrer Lipasen, entwickelt und zur Marktreife gebracht. Dazu musste die Lipase auf der Grundlage bio- und gentechnologischer Verfahren optimiert und unter Einsatz einer Hefe (Pichia pastoris) gewonnen werden.Das Ergebnis ist das Enzym „Candida antarctica Lipase B (CALB)“ (http://www.rcsb.org/3d-view/1TCA/1). Vor allem musste das Problem gelöst werden, dass eine Inaktivität des Enzyms aufgrund des Methanols auftritt. Eine Möglichkeit, diese Gefahr zu reduzieren besteht darin, statt Methanol (CH3OH) Methylacetat (C3H6O2) einzusetzen, das nicht zur Inaktivierung des Enzyms führt. Das verwendete Enzym wird immobilisiert, d.h. auf einem Träger – in diesem Fall Acrylharz – gebunden, damit es nach der Reaktion leichter wieder zurückgewonnen werden kann. Im Handel ist es in dieser Form als Novozym 435 erhältlich. Obwohl dieses Verfahren inzwischen weiter optimiert worden ist und zur Reduzierung des Chemieeinsatzes und der Abfallentstehung führen würde, hat es sich kaum durchgesetzt. Die herkömmliche Umesterung mit anorganischen Katalysatoren ist preiswerter. |
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