Mat. III: Bioethanol aus Zuckerrohr

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siehe auch: Haupttext / 1. Generation mit allg. Übersicht und weiteren Aufgaben sowie  
AB 3_2.1  Süßes Gras – das Zuckerrohr 
und dort weitere Verweise
Der Ausgangsstoff von aus Zuckerrohr hergestelltem Bioethanol ist das zuckerhaltige Mark im Stängel der Pflanze. Der Zuckergehalt beträgt etwa 10-30 % der Rohmasse.

Das folgende Fließschema zeigt den Prozess der Bioethanol-Herstellung aus Zuckerrohr. Möglicherweise unbekannte Begriffe werden im Anschluss daran erklärt. Im weiteren Verlaufe des Textes werden daran beteiligte Mikroorganismen und Enzyme vorgestellt und erläutert.

Einerseits ist es schon faszinierend, wie aus gespeicherter Sonnenenergie ein energiereicher Stoff als Ausgangspunkt für neue Produkte hergestellt wird. Andererseits wurde im Haupttext bereits deutlich, dass die Herstellung von Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation sowohl positiv als auch negativ beurteilt wird (siehe Abb. AB EB_6-2). Die Aufgaben 5 – 8 des Haupttextes (siehe hier) befassen sich unter Einbeziehung des Mat.I Produkte in Zeiten des Klimawandels … genauer mit diesen Aspekten.

Bioethanol Biokraftstoffe Zuckerrohr

Abb. Mat. III-1 Zuckerrohrernte

Bioethanol aus Zuckerrohr / Fließschema
Im Anschluss daran befinden sich Erklärungen zu einzelnen Begriffen.

Bioethanol Biokraftstoffe Zuckerrohr

Abb. Mat. III-2 Bioethanol aus Zuckerrohr (schematisch und vereinfacht)


Bioethanol aus Zuckerrohr / Erklärungen zum Fließschema

Nebenprodukte / Kopplungsprodukte
Das Ziel eines Produktionsprozesses ist in der Regel die Herstellung eines Produktes. Im Rahmen einzelner Arbeitsschritte kann es dazu kommen, dass aus verfahrenstechnischen Gründen zwangsläufig ein weiteres Produkt / weitere Produkte entsteht / entstehen. Dabei handelt es sich um sogenannte Nebenprodukte. Sind diese für neue, außerhalb des eigentlichen Produktionsziels befindliche Anwendungen verwertbar, bezeichnet man diese Produkte als Kopplungsprodukte.

Bagasse
Nach dem Auspressen bleiben faserige Reste des Zuckerrohrs zurück, die Bagasse. Von 100t Zuckerrohreinsatz verbleiben etwa 30t Bagasse. Diese Reststoffe enthalten hauptsächlich Cellulose, Hemicellulose (= Kohlenhydrate) und Lignin (siehe hier). Häufig werden diese Reste bereits in der Zuckerrohrfabrik als Brennstoff benutzt. In der Industrie werden Bagasse zur Zellstoffherstellung und die in der Hemicellulose enthaltenen Kohlenhydrate als Ausgangsstoff für die Gewinnung bestimmter Chemikalien verwendet. Bagasse wird zunehmend als Grundlage für die Herstellung von abbaubaren Verpackungsmaterialien und Einwegmaterialien eingesetzt.

Melasse
Es handelt sich um einen dunkelbraunen, sehr zähen Zuckersirup, der nicht auskristallisieren kann. Die Melasse fällt als Nebenprodukt bei der Zuckerproduktion an. Sie enthält immer noch bis zu 60 % Zucker und außerdem Vitamine und Salze. Der größte Teil der Melasse wird zur Produktion von Bioethanol eingesetzt. Weiterhin kann sie als Futtermittel genutzt werden, aber auch in vielfältiger Art und Weise in der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung. Im Haushalt kann Melasse als Brotaufstrich und zum Backen genutzt werden. In der Pharmaindustrie wird Melasse u.a. zur Herstellung von Nährböden für Mikroorganismen eingesetzt.

Fermenter oder (Bio-) Reaktor / alkoholische Gärung
Fermentation (lat.: fermentum „Gärung“ / „Sauerteig“) bezeichnet in der Biologie und Biotechnologie die mikrobielle oder enzymatische Umwandlung organischer Stoffe.
Ein Fermenter kann auch als Bioreaktor bezeichnet werden, in dem Mikroorganismen,  Zellen oder Enzyme unter kontrollierten optimalen Bedingungen wirken und aufgrund ihrer Leistungen in den Fermenter gegebene Stoffe um- oder abbauen.
Ein Fermenter ist wesentlicher Bestandteil sehr vieler biotechnologische Anwendungen.
Typische Beispiele sind das Bierbrauen (= alkoholische Gärung) und die Kläranlage (= Abbau bestimmter organischer Stoffe). An  dieser Stelle sind es Hefen, die die organischen energiereichen Stoffe der Melasse – vorwiegend die Kohlenhydrate – im Rahmen der alkoholischen Gärung durch den Einsatz ihrer Enzyme verarbeiten. Heutzutage sind sie mithilfe der Gen- und Biotechnologie in ihren Leistungen optimiert (siehe AB 15_2.3). Die Endprodukte sind im wesentlichen Alkohol, Wasser und Kohlenstoffdioxid.

siehe Abschnitt unten zu „Mikroorganismen und Enzyme“.

Vinasse
Nach der Entfernung des im Rahmen der alkoholischen Gärung entstandenen Alkohols bleibt ein Brei zurück, die Vinasse. Pro Volumeneinheit Ethanol entstehen etwa acht Volumeneinheiten Vinasse. Sie wird nach Wasserentzug häufig als Energielieferant – z.B. in der Biogasanlage – , aber auch als Futtermittel und Dünger verwendet. Aufgrund ihrer stofflichen Zusammensetzung kann sie auch als Kulturmedium in der Pflanzen- und Algenzucht benutzt werden.

Destille
Destillieren (lat.: destillare / „herabtröpfeln“) ist ein Trennverfahren, um ein flüssiges Gemisch verschiedener ineinander löslicher Stoffe zu trennen. In diesem Fall wird das erzeugte Alkohol-Wasser-Gemisch verdampft und in einem sich anschließenden Kühler wieder abgekühlt. Bei diesem Prozess trennen sich Wasser- und Alkoholanteile. In der Regel muss dieser Vorgang mehrfach durchgeführt werden, um die entsprechende Alkoholkonzentration zu erreichen.

Dehydrierer
Um in Ottomotoren Bioethanol einsetzen zu können, muss Ethanol eingesetzt werden, das aus mindestens 99,3 Vol.% konzentriert ist. Nach der Destillation beträgt dieser Wert jedoch nur ca. 95 Vol.%. Der Einsatz von Chemikalien  – häufig Cyclohexan – und nochmals mehrfache hintereinander geschaltete spezielle Destillationsgeräte ermöglichen die weitere Reduzierung des Wasseranteils (= thermischer Trennprozess). Die verwendeten Chemikalien werden in den Kreislauf zurückgeführt. Der Fachbegriff für den Vorgang der Entwässerung lautetet „Rektifikation“.


Bioethanol aus Zuckerrohr / Mikroorganismen und Enzyme

Hinweis:
Zur Hervorhebung der Aktivität von Enzymen ist deren Vorkommen bzw. Einsatz in den folgenden Abbildungen als Raute in verschiedenen Farben dargestellt.

Wir Menschen sind bei Weitem nicht die Ersten, die auf den Gedanken gekommen sind, Bioethanol herzustellen.  Sehr einfach gebaute Organismen tun dieses schon sehr erfolgreich seit Millionen von Jahren: Hefen und bestimmte Bakterien. Doch auch wenn beide dasselbe Produkt, nämlich Ethanol, herstellen, so tun sie dies doch auf unterschiedlichen Wegen. Es liegt also nahe, diese Lebewesen bzw. ihre Enzyme auch für die Bioethanol-Herstellung zu nutzen. Zwei bedeutsame Beispiele sind die Hefe Saccharomyces cerevisiae und das Bakterium Zymomonas mobilis.

Saccharomyces cerevisiae (griech.: Saccharomyces, „Zuckerpilz”/ lat.: cerevisiae  „des Biers“)
Die Backhefe oder Bierhefe – Saccharomyces cerevisiae  – gehört zu den einzelligen Pilzen. Die Zellen sind rund bis oval und haben einen Durchmesser von ca. 5-10 μm*. Ihre DNA besteht aus ca. 13 Mio. bekannten Basenpaaren.
Die Hefe lebt fakultativ anaerob. Das heißt, dass ihr Stoffwechsel sowohl mit Sauerstoff (= aerob) als auch ohne Sauerstoff (= anaerob) funktioniert. Hefen bauen Zucker zur Energiegewinnung über einen Vorgang ab, den man „alkoholische Gärung“ nennt. Am Ende des enzymatisch gesteuerten Vorganges entstehen Ethanol und  – für die Hefe selbst wichtig – zwei Moleküle ATP, die universelle Speicherform für chemische Energie in Zellen. Durch Züchtung bzw. gentechnologische Veränderungen wurden Hefen für die alkoholische Gärung optimiert.
Die vereinfachte Gleichung der alkoholischen Gärung lautet:
C6H12O6 + 2 ADP+P ⇒ 2 C2H5OH + 2 CO2 + 2 ATP
*Größenordnung siehe hier

Biokraftstoffe Bioethanol Zuckerrohr

Abb. Mat.III-3  Saccharomyces cerevisiae


Zymomonas mobilis  (griech.: zymo , „Sauerteig“ / monas, „Einheit“)
Diese anaerob lebenden Bakterien sind stäbchenförmig und haben eine Länge von bis zu 6 μm. Das Genom umfasst ca. 1 Mio. Basenpaare und es ist vollständig aufgeklärt.
Auch in ihrem Energiestoffwechsel wird Zucker zu Ethanol vergoren. Der Abbau erfolgt allerdings nicht auf dem gleichen Weg wie bei den Hefen, sondern auf einem anderen Weg, dem sogenannten Entner-Doudoroff-Weg (Link siehe unten). Das Endprodukt ist jedoch mit dem der Hefen identisch. Im Unterschied zu der Hefe gewinnt Zymomonas allerdings nur ein Molekül ATP.
Zymomonas wurde zunächst in Säften der Agave und verschiedener Palmenarten entdeckt. Erst gentechnologische Veränderungen ermöglichten, dieses Bakterium überhaupt zur Bio-Ethanol-Herstellung zu nutzen. Das Problem dabei war und ist, dass Zymomonas schlecht höhere Ethanolkonzentrationen „verträgt“, was dazu führt, dass die Aktivität bestimmter Enzyme zurückgeht. Der Vorteil des Einsatzes von Zymomonas mobilis liegt darin, dass der Ablauf der Gärung deutlich schneller abläuft und die Ethanol-Ausbeute höher ist als bei der alkoholischen Gärung durch die Hefe.

Während im Rahmen der alkoholischen Gärung durch die Hefe 14 “Arbeitsschritte” verschiedener Enzyme notwendig sind, um letztendlich Ethanol herzustellen, sind bei Zymomonas lediglich fünf Enzyme beteiligt.

Biokraftstoffe Bioethanol Zuckerrohr

Abb. Mat. III-4  Agave

Biokraftstoffe Bioethanol Zuckerrohr

Abb. Mat. III-5   Z.mobilis und S.cerevisiae

Die folgende Abbildung gibt die letzten Schritte der Ethanolsynthese für beide Organismen vereinfacht wieder.

Biokraftstoffe Bioethanol Zuckerrohr

Abb. Mat. III-6  Letzte Schritte in der Ethanolherstellung beim Einsatz von Hefe bzw. Zymomonas

  1. Beschreibe den Vorgang der alkoholischen Gärung in eigenen Worten.
  2. Erläutere die Bedeutung der an den letzten Schritten zu Ethanolsynthese beteiligten Enzyme unter den Gesichtspunkten  „Substrat-Enzym-Komplex“ oder  „Substrat- und Wirkungsspezifität“ (Hilfe siehe hier)
  3. Verknüpfe die Tatsache, dass  Z. mobilis nicht so gut höherer Ethanolkonzentrationen verträgt mit dem Begriff „Endprodukthemmung“ (Hilfe siehe hier).
  4. Zur Optimierung der Enzyme für eine höhere Ethanolgewinnung werden gen- und biotechnologische Verfahren eingesetzt. In diesen Zusammenhängen spricht man auch von „Proteinengineering“ oder auch „Proteindesign“. Was mit diesen Begriffen gemeint ist, findest du in den Arbeitsmaterialien AB 15_2.3. Erkläre das Ziel der Nutzung dieser Verfahren.
  5. Begründe, warum der Einsatz gentechnologisch veränderter Mikroorganismen bzw. die Nutzung der aus ihnen gewonnenen und optimierten Enzymen in den hier genannten Fällen nicht mit der Erzeugung gentechnologisch veränderter Nutzpflanzen, z.B. Maispflanzen, zu vergleichen ist.

Genauere Informationen zu den beiden genannten Organismen und den jeweils ablaufenden Prozessen finden sich u.a. hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Backhefe  (Zugriff: 2020-06-01)
https://de.wikipedia.org/wiki/Zymomonas_mobilis   (Zugriff: 2020-06-01)
https://www.spektrum.de/lexikon/biochemie/glycolyse/2616  (Zugriff: 2020-06-01)
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/entner-doudoroff-weg/21534  (Zugriff: 2020-06-01)
https://de.wikipedia.org/wiki/Alkoholische_G%C3%A4rung#Enzymatische_Reaktionen   (Zugriff: 2020-06-01)
https://de.wikipedia.org/wiki/Entner-Doudoroff-Weg   (Zugriff: 2020-06-01)

 

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