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siehe auch: Haupttext / 2. Generation mit allg. Übersicht und weiteren Aufgaben |
Synthetische Kraftstoffe werden schon seit den 1920er Jahren hergestellt. Ausgangsstoffe für vorhandene großtechnische Verfahren waren und sind in erster Linie Kohle (Coal-to-Liquid / CtL) oder Erdgas (Gas-to-Liquid / GtL) – also begrenzt vorhandene Ressourcen, deren Verwendung außerdem erheblich zur globalen Erwärmung beitragen. Asiatische Staaten, insbesondere China, aber auch Südafrika planen zurzeit den Bau neuer CtL-Großanlagen. Seit einigen Jahren werden Vorgehensweisen entwickelt, bei denen keine fossilen Ressourcen mehr eingesetzt werden, sondern Biomasse verschiedenster Herkunft (Stroh, Holzreste, organische Abfälle, etc.). Im Verlauf spezieller Prozessketten – der Gasifikation oder Pyrolyse – wird die Biomasse verarbeitet und am Ende stehen schließlich die gewünschten gasförmigen (BtG) und flüssigen (BtL) Endprodukte – u.a. in Form von Kraftstoffen – zur Verfügung. Auf den Wegen zu den Endprodukten entstehen an mehreren Stellen verwertbare Nebenprodukte. Auch wenn die vielfältigen Ausgangsstoffe häufig nicht mit der Nahrungsmittelproduktion oder der Landnutzungsänderung in Konkurrenz stehen, gibt es auch in Hinblick auf die damit verbundenen Herstellungswege für synthetische Kraftstoffe sehr unterschiedliche Meinungen. Kritik wird vor allem an der damit verbundenen Ökobilanz (siehe hier) geäußert. Sie wird in erster Linie durch den hohen Energieeinsatz, aber auch durch andere Belastungen der Umwelt, bestimmt. Befürworter dieser Herstellungswege sehen deren Vorteile zum einen in den Möglichkeiten der Nutzung sehr vieler unterschiedlicher Ausgangsstoffe und zum anderen in der Produktion einer Vielzahl von End- und Neben-(Kopplungs)produkten.Die Forschungen zur Optimierung der Verfahren unter chemisch-technischen und wirtschaftlichen Aspekten sind vielfältig. Die meisten Anlagen befinden sich noch im Forschungs- und Entwicklungsstadium. Im Vergleich zur Biokraftstoff-Herstellung nach Verfahren der 1. Generation besitzen sie noch keine große Bedeutung. Politisch werden die Verfahren BtL und BtG zurzeit (Stand 2020) in Deutschland für die Zukunft favorisiert. |
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Auch wenn die hier beschriebenen Verfahren in erster Linie auf chemischen und technischen Grundlagen beruhen, wird weltweit daran geforscht, Mikroorganismen und ihre enzymatischen Leistungen in den Prozessketten zu nutzen. Dadurch lassen sich Umweltbelastungen und auch der Einsatz von Chemikalien verringern. Entsprechende Möglichkeiten werden hier anhand von Beispielen angesprochen. Die Zukunft wird zeigen, welche Erfolge auf diesen Wegen zu erreichen sind.
Das folgende Fließschema kann in Teilen nur sehr verkürzt bzw. verallgemeinernd sein, da sich sowohl die Pyrolyse von Biomasse als auch deren Gasifikation je nach Ausgangsstoff / -gemisch im Detail stark unterscheiden. Das gilt vor allem auch für die bei beiden Verfahrenswege produzierten Kopplungsprodukten. Dennoch sollten die folgende Abbildung und die zugehörigen Erläuterungen einen Einstieg in die Diskussion über „Biomass to Liquid /to -Gas“ erleichtern.
Im Anschluss daran befinden sich Erklärungen zu einzelnen Begriffen.
BtL- / BtG-Ausgangsstoffe Die Vielfalt der bei diesem Verfahren einsetzbaren Ausgangsstoffe ist noch wesentlich größer als beim Lignocellulose-Verfahren. Im Grunde kann alles in dieses Verfahren eingebracht werden, das aus organischer Substanz besteht. Auch sehr wasserhaltige Stoffgemische wie z.B. Klärschlämme oder Algenmasse können verarbeitet werden, verlangen allerdings ganz spezielle Verfahren, die hier nicht berücksichtigt werden können. Neben- / Kopplungsprodukte Das Ziel eines Produktionsprozesses ist in der Regel die Herstellung eines Produktes. Im Rahmen einzelner Arbeitsschritte kann es dazu kommen oder bewusst angestrebt werden, dass aus verfahrenstechnischen Gründen weitere Produkte entstehen. Dabei handelt es sich um sogenannte Nebenprodukte. Sind diese für neue, außerhalb des eigentlichen Produktionsziels befindliche Anwendungen verwertbar, bezeichnet man diese Produkte als Kopplungsprodukte. Vorbehandlung Fast alle Ausgangsstoffe machen Vorbehandlungen notwendig. Zu große Stücke müssen zerkleinert, gereinigt und je nach Ausgangsmaterial und weiterem Verfahren auch einer Trocknung unterzogen werden. Die so vorbereitete Biomasse wird dann den folgenden zwei Verfahren unterzogen, wobei es auch Mischformen gibt. |
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Biokraftstoff durch Biomasse-Gasifikation
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Biokraftstoff durch Biomasse-Pyrolyse (griech.:Pyro, „Feuer“ / Lyse, „Trennung“) Bei der Pyrolyse werden organische Ausgangsstoffe / Stoffgemische thermochemisch um- bzw. abgebaut. Je nach Stoff /-gemisch sind dazu Temperaturen von 150-500 oC notwendig. Durch die Hitze werden große organische Moleküle gespalten und es entstehen neue, kleinere Moleküle. Es findet keine klassische Verbrennung unter Beteiligung von Sauerstoff statt. Allerdings können Reaktion mit Sauerstoff im Rahmen der Pyrolyse stattfinden, wenn diese schon im Ausgangsstoff vorhanden sind. Es entstehen Produktgemische, die Feststoffe (vor allem Koks), Flüssigkeiten ( Alkohole) und Gas (z.B. Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid). Der Pyrolysekoks* wird aus dem Prozess ausgeschleust und kann u.a. als Holzkohle oder Aktivkohle genutzt werden. Die entstandenen gasförmigen Anteile werden im Wesentlichen als Heizgas zur Trocknung von Ausgangsmaterialien genutzt. Wird Biomasse im Rahmen einer sogenannten „langsamen“ Pyrolyse, d.h. bei Temperaturen von 180-400 oC und entsprechendem Druck verarbeitet, entsteht relativ stabile Kohle, sogenannte Biokohle. Sie wird vor allem für den Einsatz im Rahmen des Nutzpflanzenanbaus – auch unter dem Stichwort „klimafreundlich“ – angepriesen. Grundsätzlich gilt, dass mit Zunahme der Temperatur der Anteil gasförmiger neuer Stoffe wächst. Dazu gehört hauptsächlich das Synthesegas, ein Gasgemisch, welches zur Synthese neuer Stoffe, z.B. Kraftstoffen, genutzt werden kann (siehe auch Biomasse-Gasifikation). Aufgrund der häufig sehr uneinheitlichen Zusammensetzung der eingesetzten Biomasse enthalten die Pyrolyseprodukte meistens unerwünschte Stoffe, die mithilfe chemisch-physikalischer Verfahren zunächst entfernt werden müssen, um so schließlich das weiter bearbeitbare Pyrolyse-Öl zu erhalten. *Koks ist das Ergebnis einer unvollständigen Verbrennung bei Sauerstoffausschluss. Es fehlen die flüchtigen Bestandteile der Ausgangsstoffe, die als Gas entwichen sind. Pyrolyseöl Beim Pyrolyseöl handelt es sich vor allem um bestimmte entstandene flüssige organischen Verbindungen (Alkohole / Ketone / Aldehyde / Säuren / Ester / etc.). Diese Zwischenprodukte sind Grundlage für die Gewinnung vielfältiger Endprodukte. Zunächst muss das Pyrolyseöl mithilfe chemischer und physikalischer Verfahren gereinigt und für die spezifische Weiterverarbeitung aufbereitet werden. Noch aufwendiger sind die sich anschließenden Arbeitsschritte, die dann gezielt zu den jeweils gewünschten Endprodukten führen. Dazu gehört auch hier der Einsatz von Katalysatoren. In diesem Zusammenhängen wird auch von Veredelung gesprochen. Pyrolyse-Endprodukte Die Endprodukte bestehen chemischen Verbindungen, die im Rahmen industrieller Produktionsprozesse weiterverarbeitet werden oder sie liegen in Form von Biokraftstoffen vor. |
Für beide Verfahren gilt, dass sie zum Teil die im Rahmen der Verfahren gewonnene Stoffe wieder als Energiegrundlage nutzen können. Kritiker sehen jedoch erhebliche indirekte Emissionen (siehe hier) von CO2 im Rahmen der Ökobilanz. Außerdem sind andere vorhandene Umweltbelastung in Hinblick auf die Abluft, das Abwasser oder anfallende Abfallstoffe nur schwer zu erfassen.
Es ist daher umstritten, ob beide Verfahren bzw. die auf ihrer Grundlage produzierten Endprodukte unter dem Oberbegriff „erneuerbare Energien“ zu erfassen sind.
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Lösungen zu Aufg. 1 u. 2:
zu 1. |
Biomass to Liquid (BtL) / to Gas (BtG) / Mikroorganismen und Enzyme
Mikroorganismen kommen im Rahmen der Veredelung von Pyrolyseölen und -wasser oder Synthesegasen zum Einsatz. Die zugrundeliegenden Vorgänge werden auch als „mikrobielle/biotechnologische Fermentation“ oder „Biotransformation“ bezeichnet. Die dabei eingesetzten Algen oder Bakterien werden immer, ausgehend von Wildtypen, auf der Grundlage von bio- und gentechnologischen Arbeiten entwickelt (siehe hier) und dann für die Produktion von Stoffen benutzt. In diesen Zusammenhängen wird auch von metabolic Engineering gesprochen. Fast immer geht es dabei um die Veränderung von enzymatischen Leistungen. Mithilfe der Mikroorganismen bzw. deren Enzyme können in diesen Zusammenhängen bereits im Labormaßstab eine große Vielfalt von Stoffen bzw. Produkten hergestellt werden. An der Weiterentwicklung in Richtung großtechnischer Anwendung wird intensiv gearbeitet. Im Folgenden werden einige Beispiele etwas näher erläutert. Von besonderer Bedeutung sind Cyanobakterien (= Blaualgen). Sie leben als Plankton im Salz- oder Süßwasser und tragen durch ihre fotosynthetische Leistung maßgeblich zur Primärproduktion in Gewässern bei. Viele von ihnen sind sehr gut erforscht und äußerst attraktive „Wirte“ für gen- und biotechnologische Anwendungen. Im Ergebnis erhält man sogenannte künstlich hergestellte „Bioraffinerien“, die – durch die Fotosynthese „lichtgetrieben“ – neue Chemikalien aus den im Pyrolyseöl vorliegenden Kohlenstoffverbindungen herstellen können.Ein bedeutsames Forschungsobjekt ist Synechococcus elongatus Stamm PCC7942 ein. Unter anderem wurde hier die Schnelligkeit im Wachstum, aber auch die Temperaturtoleranz optimiert. Entscheidend ist jedoch die erzeugte enzymatische Fähigkeit ungesättigte Fettsäuren (siehe hier) in Pyrolyseölen zu verarbeiten. Im Rahmen des Fettstoffwechsels werden so Alkane gebildet. Der genaue Stoffwechselweg ist noch nicht aufgeklärt. Alkane sind die Hauptbestandteile von Benzin, Diesel und Kerosin. Es wird sowohl daran gearbeitet, diesen Stamm selbst verstärkt zu nutzen, als auch durch metabolic Engineering die entsprechenden Gene in E.Coli zum „Arbeiten“ zu bringen. Interessanterweise ist der zuvor genannte Stamm übrigens auch in der Lage, im Rahmen seines Stoffwechsels Wasserstoff (H2) zu produzieren.
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Im Rahmen der „schnellen Pyrolyse“ entstehen bei der Verwertung von Lignocellulose – Stroh oder Holz – neben festen, ölhaltigen Bestandteilen auch wässrige Anteile, das sogenannte Pyrolysewasser. Bisher musste dieses in der Regel als Abwasser aufwendig entsorgt werden. Durch den Einsatz von Mikroorganismen wird dieses Abwasser zum Neben- bzw. Kopplungsprodukt. Das Bodenbakterium Corynebacterium glutamicum, das bereits 1959 als Produzent der Aminosäure Glutaminsäure (Glu) – in besonderer Form als Geschmacksverstärker Glutamat verwendet – entdeckt wurde, kann (könnte) hier Abhilfe schaffen. In der Gen- und Biotechnologie hat dieses Bakterium große Bedeutung, weil sich in sein vollständig aufgeklärtes Genom optimal Fremdgene einschleusen und aktivieren (= exprimieren) lassen. Sehr häufig sind Stämme von E.coli Quellen dieser Gene. Die damit möglichen enzymatischen Leistungen des Bodenbakteriums führen zur Produktion verschiedenster Stoffe, z.B. im Rahmen seiner Verwendung zusammen mit Pyrolysewasser. Ein aus E.coli stammender genetischer Abschnitt führt dazu, dass in der Bakterienzelle aus dem im Pyrolysewasser enthaltenen Acetol 1,2-Propandiol hergestellt (= katalysiert) wird. Dieser Stoff gehört mit zu den weltweit am meisten benötigen Grundstoffen u.a. für Produktherstellung in den Bereichen Kosmetik, Hygiene, Lebensmittelzusatzstoffen, Medizin und Pharmazie. Bisher wurde für diese Produktion dieses gefragten Stoffes Erdöl eingesetzt. Mithilfe anderer genetischer Veränderungen kann dieses Bodenbakterium aus dem Pyrolysewasser auch Propanol produzieren, einem als Biokraftstoff verwertbare Substanz. |
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Die Verwertung von Synthesegas auf chemisch-technischen Wegen ist üblich. Aber auch hier wird intensiv daran gearbeitet, Mikroorganismen für Herstellung von Endprodukten aus dem Gasgemisch einzusetzen. Das spart Energie und reduziert den Einsatz von Chemikalien.
Wesentliche Bestandteile des Synthesegases sind H2 , CO und CO 2. Sowohl Acetobacterium woodii als auch Clostridium autoethanogenum und Clostridium carboxidivorans sind in der Lage, aus diesen Bestandteilen Biokraftstoffe in ihrem Stoffwechsel herzustellen. Zu diesen Zwecken wurden beide anaerobe arbeitenden Mikroorganismen mithilfe metabolic Engineering vorbereitet. Endprodukte sind vor allem Ethanol, Butanol und Essigsäure. Das zuerst genannte Bakterium kann zudem sogenannte Isoprene katalysieren, u.a. Ausgangsstoff für die Produktion von synthetischem Kautschuk.
Ein intensiv verfolgtes Ziel ist die mikrobielle Produktion von Vorstufen für Plastikmaterialien, die bisher fast ausschließlich auf der Grundlage fossiler Energieträger (Erdöl, -gas) hergestellt werden.
Bei den zuvor erläuterten Verfahren wird auch von „Green Carbon“ gesprochen, im Unterschied zu „Black Carbon“, d.h. der Nutzung fossiler Energien. Ob das berechtigt ist, bleibt umstritten, da der hohe Energieeinsatz zur Bereitstellung von Synthesegas und Pyrolyseöl bzw. -wasser bestehen bleibt. Nicht zuletzt deshalb wird daran geforscht bzw. teilweise schon praktiziert, den Energieeinsatz im Rahmen der Pyrolyse und der Gasifikation mit technischen Mitteln zu senken, um so den CO2-Fußabdruck (siehe hier) dieser Verfahren zu verringern.
Abschließend ist anzumerken, dass
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