zurück zur Übersicht: Arbeitsblätter (AB) Kapitel 2
Neben der Quantität der Proteinzufuhr über die Nahrung ist die Qualität der Nahrungsproteine für den menschlichen Körper von großer Bedeutung. Ein Maß für diese Qualität ist die sogenannte „Biologische Wertigkeit“.
Grundgedanke bei der Bestimmung der biologischen Wertigkeit von Nahrungsmitteln war und ist, dass die Proteinaufnahme und die Aminosäure- bzw. Stickstoffverluste in einem Gleichgewicht stehen und damit der Proteinbedarf des Körpers jederzeit gedeckt ist (siehe auch Kap. 2.3).
Die Beschäftigung mit entsprechenden Fragestellungen und Untersuchungen begann mit Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Aminosäuren der Wissenschaft bekannt. Einige Jahre später wurde in Zusammenhang mit der Fütterung von Vieh erkannt, dass das Aminosäureprofil (= Art und Menge der einzelnen Aminosäuren) der Proteine im Futter einen Einfluss auf die Entwicklung (Wachstum, Fleischquallität) der Tiere hatte.
Auf den Menschen übertragen wurde diese Erkenntnis von dem Chemiker K. Thomas (1883-1969). Er bestimmte den Stickstoffgehalt in der Testnahrung und den in Kot und Harn. Die errechnete Differenz stand für die Wertigkeit bestimmter Futter- und Nahrungsmittel. Aufgrund noch nicht entwickelter Analyse- bzw. Untersuchungsmethoden entsprechen die von ihm damals ermittelten Werte in Hinblick auf verschiedene Futter- und Nahrungsmittel nicht mehr den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. So war er z.B. der Meinung, dass geringe Eiweißmengen bei gleichzeitiger Gabe von vielen Kohlenhydraten ausgeglichen werden können. Diese falsche Erkenntnis hatte gravierende negative Folgen in Hinblick auf Ernährungsvorgaben für körperlich schwer arbeitende Menschen. |
Die Definition der „Biologischen Wertigkeit“ von Proteinen lautet folgendermaßen:
Die Größe der „Biologischen Wertigkeit (BW)“ (engl.: protein value, PV) eines Nahrungsmittels steht für die Menge an Körperprotein, die aus 100 g aufgenommenen Nahrungsproteinen aufgebaut bzw. ersetzt werden kann. Je mehr also die Zusammensetzung der in einem Nahrungsmittel enthaltenen Proteine dem menschlichen Bedarf an Aminosäuren in Hinblick auf dessen Proteinbiosynthese entspricht, desto höher ist dessen biologische Wertigkeit. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Gehalt an essenziellen Aminosäuren in den Proteinen zu.
Eine größere biologische Wertigkeit ist dabei nicht automatisch mit „wertvoller“ oder „vollwertiger“ gleichzusetzen, da der gesundheitliche Wert eines Nahrungs- bzw. Lebensmittels durch zahlreiche weitere Faktoren bestimmt wird.verändert nach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Biologische_Wertigkeit (Zugriff 2017-01-20)
http://www.ernaehrung.de/lexikon/ernaehrung/b/Biologische-Wertigkeit.php (Zugriff 2017-01-20)
Wie kommt man zu einer der Definition entsprechenden Bewertung eines Nahrungsmittels?
In früheren Zeiten wurden entsprechende Werte über Tierversuche ermittelt. Dazu ernährte man die Tiere zunächst proteinfrei, um die Stickstoffverluste des Körpers – unabhängig von Futter – zu ermitteln. Dann wurden einzelne Proteine verfüttert und die jeweilige Stickstoffzufuhr mit den dann auftretenden Stickstoffverlusten über Kot und Urin verglichen, bis eine ausgeglichen Stickstoffbilanz erreicht war. Diese Vorgehensweise erwies sich mit aufkommenden chemischen Analysemethoden zunehmend als ungenau.
Folgende Formel (Formel-1) wird aber immer noch häufig für die Berechnung der biologischen Wertigkeit verwendet:
(lat.: retentio, „zurückhalten“) Retinierter Stickstoff ist der aus den Nahrungsproteinen stammende Stickstoff, der im Körper im Rahmen der Proteinbiosynthese genutzt wird.
(lat.: absorbere, „ einschlürfen“) Absorbierter Stickstoff ist der aus den Nahrungsproteinen stammende Stickstoff, der nach der Verdauung ins Blut aufgenommen wird.
|
Etwas komplizierter wird die Berechnung (Formel-2) der biologischen Wertigkeit in Bezug auf den Menschen. Man geht vom täglichen Minimalbedarf an Proteinen des Volleis (Eigelb und Eiklar) pro Kilogramm Körpergewicht aus und dessen biologischen Wertigkeit wird mit 100 bewertet. Die Proteinzusammensetzung eines anderen Nahrungsmittels (=Testprotein) wird darauf bezogen. Der tägliche Minimalbedarf an Testprotein pro Kilogramm Körpergewicht wird experimentell bestimmt.
Die folgende Tabelle gibt die biologische Wertigkeit (BW) für einige Nahrungsmittel an.
Nahrungsmittel | BW | Nahrungsmittel | BW |
Hühnerei | 94 | Banane (frisch) | 38 |
Sojabohne | bis 87* | Walnuss (frisch) | 59 |
Kidneybohne (frisch) | 45 | Kuhmilch (unbehandelt) | 97 |
Kartoffel (frisch) | 68 | Putenschnitzel (frisch) | 79 |
Reis (ungeschält) | 60 | Schweineschnitzel (frisch) | 76 |
Mais (frisch) | 51 | Rindersteak (frisch) | 79 |
Weizenmehl (unbehandelt) | 40 | Lammkeule (frisch) | 73 |
Haferflocken | 60 | Forelle (frisch) | 75 |
Champignon (frisch) | 52 | Wildlachs (frisch) | 75 |
Tab.1 AB 8_2.3 Biologische Wertigkeit verschiedener Nahrungsmittel *Die Angaben der BW für Soja sind sehr unterschiedlich. Quellen: div. Internetquellen (Zugriff 2019-05-01), z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Biologische_Wertigkeit https://www.eucell.de/proteine/biologische-wertigkeit-der-proteine-in-lebensmitteln.html https://www.akademie-sport-gesundheit.de/lexikon/biologische-wertigkeit.html https://www.uebungen.ws/biologische-wertigkeit-massstab-fuer-die-qualitaet-von-protein/ Anmerkungen: Umfangreiche Listen zum BW sind im Internet nur noch gegen Bezahlung einzusehen oder man erwirbt entsprechende Bücher. Das gilt leider auch für ausländische Quellen. Die ursprünglich werbungsfreie genutzte Quelle nährwertrechner.de enthält keine Angaben mehr zum BW. Die hier exemplarisch angegebenen Quelle enthalten ebenfalls Werbung. |
In den letzten Jahren wurden einige neue Methoden – verbunden mit relativ komplizierten mathematischen Berechnungen – zur Bestimmung der biologischen Wertigkeit entwickelt (z.B. PDCAAS, DIAAS*).
*Vorgeschlagen als zukünftig maßgebend von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations)
Folgende Kriterien werden dabei besonders beachtet:
Ein Vergleich der auf der Grundlage neuester Methoden ermittelten Werte mit den herkömmlichen Werten der BW (siehe Tab.1) zeigt zwar Unterschiede, jedoch sind diese nicht so groß, dass die bisher genannten Werte ihre Gültigkeit als Orientierungsgröße verlieren.
Das Bemerkenswerte an der Vielfältigkeit der Proteine in Nahrungsmitteln besteht darin, dass das Vorkommen der einzelnen essenziellen Aminosäuren in verschiedenen Nahrungsmitteln sehr unterschiedlich ist (siehe Tab. 2).
essenz. AS /
empfohlene Aufnahmemenge* Nahrungsmittel |
Thr | Lys | Val | Leu | Iso | Phe | Try | Met | His | BW |
15 | 30 | 26 | 39 | 20 | 25 | 4 | 10 | 10 | ||
Bohnen (weiß) | 916 | 1576 | 1278 | 1809 | 1193 | 1172 | 192 | 213 | 596 | 36 |
Weizen | 340 | 317 | 528 | 786 | 457 | 540 | 117 | 176 | 223 | 69 |
Mais (frisch) | 307 | 222 | 410 | 1068 | 307 | 410 | 60 | 162 | 231 | 54 |
Kartoffel (frisch) | 71 | 118 | 108 | 118 | 84 | 88 | 29 | 31 | 31 | 68 |
Ei (frisch) | 658 | 735 | 1045 | 1082 | 787 | 748 | 181 | 387 | 258 | 93 |
Kuhmilch (frisch) | 135 | 234 | 205 | 310 | 188 | 152 | 43 | 76 | 79 | 81 |
Rindfleisch (frisch) | 863 | 1707 | 1117 | 1587 | 1019 | 803 | 215 | 490 | 667 | 79 |
Reis | 266 | 260 | 458 | 587 | 321 | 342 | 68 | 123 | 109 | 72 |
Soja | 464 | 714 | 536 | 845 | 536 | 547 | 143 | 119 | 309 | 44-79 |
Tab. 2 AB 8_2.3 Beispiele Nahrungsmittel (100g) und ihr Gehalt an essenziellen Aminosäuren in mg Thr (=Threonin), Lys (=Lysin), Val (=Valin), Leu (=Leucin), Iso (=Isoleucin) Phe (=Phenylalanin), Try (=Tryptophan), Met (=Methionin), His (=Histidin) *empfohlene Aufnahmemenge in mg/pro kg Körpergewicht und Tag (nach WHO) Datenquelle: www.nährwertrechner.de (Zugriff 2017-01-29) |
Sowohl Mischkostesser als auch Vegetarier oder Veganer können durch eine Kombination von verschiedenen Nahrungsmitteln die biologische Wertigkeit ihrer Mahlzeiten erhöhen. Der Grund liegt darin, dass sich viele Nahrungsmittel ergänzen hinsichtlich ihres Gehaltes an unterschiedlichen essenziellen Aminosäuren . In diesem Zusammenhang wird auch vom „biologischen Ergänzungswert von Proteinen“ gesprochen. So ist z.B. in Mais relativ wenig Lysin enthalten, Bohnen dagegen enthalten relativ viel Lysin.Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele der Kombination von Nahrungsmitteln mit dem Ziel der biologischen Ergänzung von Proteinen bzw. Aminosäuren. |
Nahrungsmittelkombinationen | BW* |
Kartoffeln (64%) mit Ei (36%) | 136 |
Milch (75%) mit Weizenmehl (25%) | 125 |
Weizen (32%) mit Ei (68%) | 123 |
Ei (60%) mit Soja (60%) | 122 |
Milch (51%) mit Kartoffeln (49%) | 114 |
Rindfleisch (78)% mit Kartoffeln (22%) | 114 |
Soja (55%) mit Reis (56%) | 111 |
Mais (48%) mit Bohnen (52%) | 98 |
Tab.2 AB 8_2.3 Nahrungsmittelkombinationen und BW *Die Werte beziehen sich auf den Proteinanteil der Kombination insgesamt und nicht auf das Gesamtgewicht des jeweiligen Lebensmittels. Datenquelle: www.nährwertrechner.de (Zugriff 2017-01-29) |
Folgende Anmerkungen zu dieser oft zu findenden Tabelle:
Fazit
Ist die biologische Wertigkeit von Proteinen ein Qualitätsmerkmal von Nahrungsmitteln?
Kritiker benennen in Zusammenhang mit der Auflistung von Daten zur „Biologischen Wertigkeit“:
Obwohl manche der kritischen Äußerungen nicht völlig widerlegbar sind, bleibt die biologische Wertigkeit von Nahrungsmitteln dennoch eine nützliche Orientierungshilfe bei den Entscheidungen, den Körper mit den notwendigen Proteinen zu versorgen. Das heißt, dass mit Aufmerksamkeit und Nachdenken viele Ernährungsformen denkbar sind.
Wer sich schon vielfältig und bewusst ernährt, sollte sich den Kopf aber nicht zu sehr darüber zerbrechen.
An Bedeutung gewinnt die biologische Wertigkeit dann, wenn tendenziell zu wenige Proteine aufgenommen werden oder ausschließlich auf pflanzliche Proteinquellen zurückgegriffen wird. Dann wird es sehr sinnvoll, sich über die biologische Wertigkeit von Nahrungs- bzw. Lebensmitteln zu informieren und sich entsprechend zu ernähren.
Die Kombination von Nahrungsproteinen spielt übrigens besonders in solchen Ländern eine große Rolle, in denen die Ernährung kaum tierische Lebensmittel vorsieht.
Grundsätzlich darf nicht vergessen werden, dass ein Nahrungsmittel immer aus vielen Stoffen zusammengesetzt ist, die es aus ernährungsphysiologischer Sicht zu beachten gilt.
Das sollten vor allem diejenigen bedenken, die meinen, durch ein Mehr an Ernährung auf der Grundlage tierischer Nahrungsmittel ernährungsphysiologisch klüger zu handeln.
Noch ein Hinweis:
Es gibt gute Kochbücher und auch geeignete Seiten im Internet, die mit praktischen Ratschlägen weiterhelfen, wenn man bei der Ernährung auch die biologische Wertigkeit von Nahrungs- bzw. Lebensmitteln beachten möchte.
Bei entsprechenden Angeboten im Internet sollte man aber darauf achten, ob nur etwas verkauft werden soll!
|
||
1a. Begründe zunächst anhand der folgenden Aussagen, warum es durchaus sinnvoll ist, die Berechnung der biologischen Wertigkeit auch auf der Grundlage von limitierenden Faktoren durchzuführen. Ein/e Fußballspieler/in muss u.a. folgende Fähigkeiten besitzen: 1b. Begründe nun, warum (siehe Tab. 2 AB 8_2.3) „weiße Bohnen“ eine geringere biologische Wertigkeit aufweisen als „Weizen“.
|
||
|
||
|
Lösungen zu Aufg. 1 – 3:
zu 1. |
weitere Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Biological_value (Zugriff: 2019-08-13)
http://www.fao.org/ag/humannutrition/35978-02317b979a686a57aa4593304ffc17f06.pdf (Zugriff: 2017-01-03)
Biesalski, H.K. u.a. Ernährungsmedizin: nach dem neuen Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer Stuttgart 2010
Elmadfa, I. Ernährungslehre Verlag Eugen Ulmer Stuttgart 2015
Der kleine Souci/Fachmann/Kraut. Lebensmitteltabelle für die Praxis Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2011
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.