AB 10_2.3
Thema: Proteine – Nahrungsergänzungsmittel und Functional Food

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Außerhalb der normalen Nahrungsaufnahme werden in Deutschland mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr für Nahrungsergänzungsmittel ausgegeben (Stand 2017). Häufig wird in diesem Zusammenhang auch von Supplementierung gesprochen.

Unter Supplementierung (lat.: supplere „ergänzen, ersetzen“) versteht man die gezielte und ergänzende Aufnahme einzelner Stoffe (Nähr-, Mineralstoffe, Vitamine, etc.) neben der gewöhnlichen Nahrung. Ursprünglich erfolgte diese zur Behandlung von Mangelerkrankungen sowie in Zeiten außergewöhnlicher körperlicher Belastung (z.B. Schwangerschaft, Stillzeit, Leistungssport).
Seit längerem zeichnet sich ein zunehmender Konsum von „Nahrungsergänzungsmitteln“ auch bei der normal versorgten Bevölkerung ab.
Auch der Konsum von „Functional Food“ und „Super Food“ gehört zur sogenannten Supplementierung.
verändert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Supplementation (Zugriff: 2017-02-12)

Protein- bzw. Aminosäurepräparate haben zwar nicht den größten Anteil in diesem Markt, werden aber vor allem bei Sportlern und Besuchern von Fitnessstudios immer beliebter. Das Angebot von Proteinsupplementierung erfolgt in Zusammenhang mit „Nahrungsergänzungsmitteln“ und „Functional Food“, wobei es auch zu Überlappungen dieser Begriffe kommt.

Nahrungsergänzungsmittel (NEM)
Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die die allgemeine Ernährung ergänzen. Sie erhöhen die Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen. Da sie Nahrungsmittel sind, gilt für sie das Lebensmittelrecht und nicht das Arzneimittelrecht, d.h. unter anderem, dass die Hersteller weder einen Wirksamkeits- noch Unbedenklichkeitsnachweis erbringen müssen.
verändert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/NahrungsergänzungsmittelWikpedia  (Zugriff: 2017-02-12)
http://www.bfr.bund.de/cm/343/nahrungsergaenzungsmittel_vertrieb_ueber_aerzte_und_apotheker.pdf  (Zugriff: 2017-02-12)

Aus der Vielfalt der angebotenen Protein- bzw. Aminosäure-Präparate werden hier exemplarisch „Whey-(Pulver)“ und „BCAAs“ behandelt.

Whey-Produkte werden aus Molke (= engl. Whey) gewonnen. Molke ist eine Flüssigkeit, die bei der Käseherstellung zurückbleibt. Molke wird im Lebensmittelbereich auch als Getränk angeboten. Der Proteingehalt liegt nur bei etwa 0,5 g pro 100 g Molke. Allerdings führt die Zusammensetzung der Molkeproteine dazu, dass deren biologische Wertigkeit (siehe AB 8_2.3) einen Wert von bis zu 110 erreicht.
Für die Herstellung von Whey-Produkten wird zunächst durch Filtration der Proteingehalt der Molke erhöht. Es entsteht ein mehr oder weniger hochwertiges „Whey-Konzentrat“ mit einem Proteingehalt von bis zu 80%. Das Konzentrat enthält u.a. Lactose, was für Menschen mit Lactoseintoleranz problematisch ist (siehe AB 5_2.1).
Durch den Einsatz von Chemikalien oder Mikrofiltration wird „Whey-Isolat“, mit einem Proteingehalt von bis zu 96% hergestellt. Es hat einen Lactosegehalt von unter 1%.
Aus dem „Whey-Isolat“ wiederum wird durch Hydrolyse-Verfahren (siehe Exk. A ) „Whey-Hydrolysat“ hergestellt. Die im Isolat enthaltenen Proteinketten werden durch diese Verfahren in kleinere Teile (= Poly- und Oligopeptide) aufgespalten. Der Lactosegehalt ist ebenfalls sehr gering.

Inwieweit die Aufnahme von Whey-Produkten überhaupt, für wen und in welcher Menge sinnvoll ist, darüber streiten die Wissenschaftler. Einig sind sie sich allerdings dahingehend, dass ein gesunder Sport treibender Mensch, der sich bewusst ernährt, davon kaum einen Gewinn hat. Bei Hochleistungsportler/innen entscheiden Sportärzte über den kontrollierten Einsatz dieser Supplemente.

Leider gibt es in Bezug auf den Konsum von Protein-Präparaten ein großes Missverständnis: Der Körper erhält damit gar keine direkt verwertbaren Proteine. Alle aufgenommen Proteine – egal ob aus der Nahrung oder aus Nahrungsergänzungsmitteln – werden im Rahmen der Verdauung (siehe Kap. 3.1 / 3.2) vollständig in ihre Bausteine, die Aminosäuren, zerlegt. Mit den zuvor genannten Produkten werden also dem Körper allenfalls Aminosäuren zugeführt, die dann im Rahmen der Proteinbiosynthese (siehe AB 2_2.3) wieder zum Aufbau der Proteine genutzt werden können, die der Körper gerade benötigt.

Ein ebenfalls sehr beworbenes Proteinsupplement sind „BCAAs“ (branched-chain amino acids). Dabei handelt es sich um Konzentrate der Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin, die in Form von Pulver oder Tabletten angeboten werden.

Physiologische Grundlage zum Einsatz dieser Mittel ist die Tatsache, dass sich beim Training der Gehalt bestimmter Aminosäuren im Blutplasma von Muskeln besonders stark verringert. Dieses deutet auf eine vermehrte Nutzung dieser Aminosäuren im Skelettmuskel hin. Durch die Aufnahme einer proteinreichen Mahlzeit lässt sich die Aminosäurekonzentration wieder steigern. Gleiches sollen BCAAs leisten, außerdem sollen sie die Proteinbiosynthese (siehe AB 2_2.3) fördern.

Im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen an Leistungssportler/innen haben sich bei kontrollierter Aufnahme (Menge, Zeitraum, Zeitpunkt) von BCAAs vier Wirkungen als möglich herausgestellt, die auch in Zusammenhang mit Werbung für Proteinpräparate genutzt werden:

  • BCAAs können vermutlich positive Effekte in der Regenerationsphase – also nach der sportlichen Betätigung – im Muskelgewebe bewirken.
  • Die Aufnahme einer bestimmten Menge von BCAAs zum richtigen Zeitpunkt verhindert vermutlich, dass bei Leistungssportlern eine stärkere Ermüdung bzw. Abnahme der Motivation auftritt. Dieses wird damit erklärt, dass normalerweise über 90% des Tryptophans an Albumin, ein Protein im Blutserum, gebunden ist. Bei Anstrengung verdrängen Fettsäuren das Tryptophan vom Albumin. Es kommt zur starken Erhöhung des Tryptophanspiegels im Blutserum. Dieses wiederum führt zu einer zeitweise überschießenden Serotoninproduktion im Gehirn (siehe AB 9_2.3). Im Unterschied zu der ansonsten positiven Wirkung von Serotonin führt dieser relativ plötzlich auftretende Überschuss zu Ermüdungserscheinungen in den Nervenzellen, die für die Steuerung der Muskulatur zuständig sind. Dem wirken die BCAAs entgegen, da sie beim Übertritt vom Blutkreislauf in die Flüssigkeitsräume des Gehirns die gleichen Transportmechanismen wie Tryptophan benutzen. Somit wird die überschießende Serotoninproduktion abgeschwächt und damit vermutlich auch der Ermüdungseffekt reduziert.
  • BCCAs haben bei kontrollierter Gabe über einen längeren Zeitraum ggf. eine positive Reaktion des Immunsystems zur Folge – wie Beobachtungen an bestimmten Leistungssportler/innen vermuten lassen.
  • Unter ähnlichen Voraussetzungen zeigt sich schließlich eine zeitweise Leistungssteigerung bei einigen Leistungssportler/innen unter BCAA-Gabe.

Abgesehen davon, dass es auch Wissenschaftler gibt, die den zuvor genannten Ergebnissen widersprechen, herrscht Einigkeit darüber, dass derartige Beobachtungen nicht einfach auf die Alltagssportler/innen – auch nicht wenn regelmäßig und intensiv trainiert wird – übertragen werden können.
Andere, vor allem in der Werbung aufgeführte Wirkungen von BCAAs, z.B. die alleine durch den Konsum dieses Stoff erfolgende Vergrößerung von Muskelmasse, die Förderung der Aktivität von Wachstumshormonen oder Hilfe beim Abnehmen, konnten bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.

Außerdem ist anzumerken, dass BCAAs in vielen Nahrungsmitteln in ausreichender Menge vorhanden sind. Zu diesen Nahrungsmitteln gehören vor allem Getreide(-produkte), Kuhmilch(-produkte), Sojamilch, Fleisch und Fisch.

Nahrungsergänzungsmittel

Abb. AB 10_2.3-1 Molke

Nahrungsergänzungsmittel

Abb. AB 10_2.3-2 Whey-Produkte

Nahrungsergänzungsmittel

Abb. AB 10_2.3-3 BCAAs / Aminosäuren

Proteinkonzentrate und/oder BCAAs finden sich auch als Beigabe in einigen Nahrungs- bzw. Genussmitteln („Power-Riegel“ oder „Power-Protein-Drink“). Oft enthalten derartige Produkte weitere „Power-Inhaltsstoffe“ wie Guarana, Coffein, Zucker, Vitamine etc.
Bei diesen Produkten handelt es sich um sogenanntes „Functional Food“.

Functional Food ( = funktionale Lebensmittel)
Dabei handelt es sich um Lebens- oder Genussmittel, die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert sind und mit einem positiven Effekt auf die Gesundheit beworben werden, der jedoch nicht wissenschaftlich nachgewiesen sein muss.
verändert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Functional_Food  (Zugriff: 2017-02-18)

Wissenschaftlich werden diese Produkte in Hinblick auf sportliche Betätigung oder Leistungssport – in normaler Menge konsumiert – als nicht schädlich angesehen. Bezüglich der zugesetzten Proteine bzw. Aminosäuren konnte bisher keine positive Wirkung nachgewiesen werden. Vor allem der Kohlenhydratanteil kann kurzfristig Energie liefern, sie dämpfen den Hunger, liegen nicht so schwer im Magen und schmecken meistens ganz gut.

Zusammenfassend lässt sich zu allen Proteinsupplementierungen Folgendes sagen:

  • Proteinpräparate können vermutlich unter bestimmten Bedingungen, wozu auch eine qualifizierte fachliche Beratung bzw. Kontrolle und eine entsprechende Lebensführung gehören, bei Hochleistungssportlern physiologisch positive Effekte bewirken.
  • Kein Präparat „pumpt von alleine die Muskeln auf“. Muskelaufbau heißt immer gezieltes und kontrolliertes Training, gesunde Ernährung und Lebensführung.
  • Eine unzureichende Proteinversorgung kommt in Mitteleuropa nur in Ausnahmefällen vor. Im Normalfall nimmt jeder Mensch täglich mehr Proteine bzw. Aminosäuren zu sich, als er eigentlich bräuchte. Bei bewusster Ernährung stehen auch für intensive sportliche Aktivitäten ausreichend Proteine zur Verfügung. Das gilt sowohl für Mischkostesser als auch für Vegetarier oder Veganer (siehe auch AB 7_2.3).
  • Zusätzlich aufgenommene Aminosäuren können nur in geringem Umfang verwertet werden (siehe limitierende Faktoren, AB 8_2.3).
  • Kurzfristig vorhandene, nicht nutzbare Mengen an Aminosäuren werden wieder ausgeschieden. Proteine bzw. Aminosäuren können kaum gespeichert werden.
  • Über einen längeren Zeitraum zugeführte größere Tagesmengen – 4 bis 5 mal soviel wie normal – an Proteinen bzw. Aminosäuren können zu Nierenschäden führen.
  • Für die Energieversorgung bei intensivem Sport sind vorrangig die Kohlenhydrate, dann die Fette und ganz untergeordnet die Proteine zuständig. Vor allem eine entsprechende Versorgung des Körpers mit Kohlenhydraten zum richtigen Zeitpunkt ist für Sportler wichtig.

und 

  • Sportmediziner verneinen durchweg die Notwendigkeit von Protein-Supplementierung insbesondere beim „Otto-Normalverbraucher“, der regelmäßig und auch intensiv, eine Sportart ausübt.

 

  1. Sie haben zwar nichts mit Proteinen zu tun, werden aber von manchen Sportreibenden als ebenso „wichtig“ angesehen wie Proteinsupplemente, die „Anabolika“.
    Informiert euch über Anabolika:
    Stoffgruppe und Substanzen, Wirkungsweisen, Einsatz, gesundheitliche Aspekte, pro und contra, Werbung etc.
    Stellt die Informationen zu „Anabolika“ – vielleicht auf einem Poster – dar, erläutert sie und diskutiert deren Gebrauch.

 

Hinweis: Weiteres zu dem Thema „Supplementierung“ findest du im Material AB 5_2.2Omega-3-Fettsäuren – Nahrungsergänzungsmittel und Functional Food


Quellenauswahl

http://www.trainingsworld.com/training/krafttraining-sti47291/bcaa-wirksame-hilfe-oder-marketing-hype.html (Zugriff: 2017-02-10)
http://www.ernaehrungsberatung.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/OpenDocument (Zugriff: 2017-02-10)
https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/ (Zugriff: 2019-05-12)
http://www.zeitschrift-sportmedizin.de/fileadmin/content/archiv2016/Heft_3/Einfluss_von_Proteinen_2016-03.pdf (Zugriff: 2017-02-10)
https://www.welt.de/wirtschaft/article154337524/Selbstoptimierung-treibt-Deutsche-in-den-Eiweiss-Rausch.html (Zugriff: 2017-02-10)
https://www.hindawi.com/journals/jnme/2016/9104792/ (Zugriff: 2017-02-10)
http://jn.nutrition.org/content/135/6/1591S/F1.expansion.html (Zugriff: 2017-02-10)
https://www.bll.de/de/download-manager/_nem-aus-dem-internet (Zugriff: 2017-02-10)
https://www.bll.de/de/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel (Zugriff: 2017-02-10)

 

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