zurück zur Übersicht: Arbeitsblätter (AB) Exkurs B
Kanarienvögel waren mit Beginn des 18. Jh. die ersten Biosensoren, die von Menschen genutzt wurden. In Käfigen wurden sie mit in das Bergwerk genommen, um vor allem vor einer zu hohen Kohlenstoffmonoxid-Konzentration zu warnen. Im Unterschied zu anderen Tieren (Maus, Taube, etc.) zeigen Kanarienvögel schon bei einer für den Menschen noch(!) nicht gefährlichen Konzentration dieses Stoffes ein geändertes Verhalten. War dieses zu beobachten, wussten die Bergleute, dass sie diesen Teil des Stollens zur eigenen Sicherheit verlassen mussten. In der Tier- und Pflanzenwelt gibt es eine Vielzahl von Organismen, die als Biosensoren dienen können. Zwei weitere Beispiele sind die Nutzung von Chlorella (= einzellige Grünalge), deren Fotosyntheseleistung sehr empfindlich auf bestimmte „Unkrautvernichtungsmittel“ im Wasser reagiert und eine Eurypanopeus depressus (= Krabbe), die von allen Tieren am empfindlichsten auf das Insektizid Lindan anspricht. In beiden Fällen ist die Ergebnisgewinnung mit relativ großem Zeitaufwand und – wenn auch nutzbaren – weitestgehend qualitativen Aussagen verbunden. In der heutigen Zeit, in der die unterschiedlichsten Stoffe schnell und quantitativ erfasst werden sollen, müssen andere Analysewege entwickelt werden. Seit den 50er Jahren forschen Wissenschaftler daran, wie die sehr spezifische Eigenart von Bio-Molekülen – vor allem von DNA, RNA, Antikörpern, Enzymen, Zellbestandteilen, aber auch Mikroorganismen – als Biosensoren genutzt werden können. |
Die folgende Abbildung AB EB_5-2 zeigt vereinfacht den grundsätzlichen Aufbau von Biosensoren. Die sich anschließende Definition gibt den Aufbau in Worten wieder.
Der entscheidende Bestandteil eines Biosensors ist der auf einer Unterlage befestigte biochemische bzw. biologische Rezeptor*. Bei der Wechselwirkung zwischen ihm und der Umgebung finden chemische und/oder physikalische Prozesse statt. Diese werden von einem Sensor** erfasst und mithilfe eines sogenannten Wandlers (= Transducer) in elektrische Signale umgewandelt und so als Messwert darstellbar.
*Rezeptor (lat.: receptor, „Empfänger“)
Zellen oder deren Bestandteile, bei denen durch Einwirkung von außen chemische und/oder physikalisch Prozesse ausgelöst werden.
**Sensor ((lat.: sensus „Empfindung“)
Messfühler, der z.B. chemisch und/oder physikalische Prozesse qualitativ oder quantitativ erfassen kann.
Bei der Verwendung von Enzymen als Biosensoren werden messbare Veränderungen in Zusammenhang mit
erfasst.
Bereits heute werden in sehr vielen Bereichen Biosensoren eingesetzt. In Zukunft wird deren Bedeutung noch zunehmen. Das hat seine Ursache vor allem in der Weiterentwicklung digitaler Möglichkeiten und der Nanotechnologie, die es ermöglicht, alles immer weiter zu verkleinern. Man forscht schon daran, dass Biosensoren in den Körper eingebracht werden und so ständig verschiedenste Zustände erfassen und melden können.
Einige Beispiele zeigen die Bedeutung der Biosensoren.
Für alle genannten Beispiele gilt, dass die zu analysierenden Stoffe auch schon bisher untersucht wurden. Allerdings unter größerem Laboraufwand und der Verwendung von z.T. schädlichen Substanzen. Der größte Unterschied liegt jedoch darin, dass Biosensoren mehrfach wiederverwendbar sind.
In dem sich anschließenden Material wird vertiefend auf die Enzyme und ihren Einsatz als Biosensoren eingegangen.
Anhand beschriebener Frage- bzw. Problemstellungen werden deren Einsatzmöglichkeiten als Biosensoren veranschaulicht. Die Aussagen sind soweit wie möglich vereinfacht worden. Dennoch ist die Bearbeitung des Materials anspruchsvoll.
Vor allem sind grundlegende Kenntnisse zu den Enzymen und zu den Vorgängen an Synapsen (siehe hier) sinnvoll.
Übrigens ist zu beachten, dass es sich sowohl bei den Darstellungen der Analysewege und auch bei den gefundenen Lösungen weitgehend um Denkmodelle handelt (siehe hier). |
Beispiel a In Deutschland sind ca. 10% der erwachsenen Menschen lactoseintolerant (siehe hier). Die für diese Personengruppe hergestellten Produkte müssen lactosefrei sein. Eine Überprüfung des Lactosegehaltes in sogenannten lactosefreien Lebensmitteln erfolgte bis vor wenigen Jahren durch zeitaufwendige Laborverfahren. Überhaupt nicht möglich war lange Zeit die kontinuierliche Überprüfung der Reduzierung des Lactosegehaltes im Verlaufe der Verarbeitung von Milch bzw. der Herstellung von Milchprodukten. Heute ist es Routine, mithilfe von Enzym-Biosensoren entsprechende Messungen exakt und kontinuierlich durchzuführen. Dieses erfolgt auf der Grundlage der Enzymreaktion von Lactase mit Lactose, das zu den Spaltprodukten Galactose und Glucose führt (siehe hier). Eine Möglichkeit der Erfassung des Lactose-Gehaltes ist der Nachweis des Enzym-Substrat-Komplexes selbst. Im Rahmen der Bindung zwischen dem Enzym Lactase und dem Substrat Lactose kommt es zu elektrochemischen Prozessen, die von einem Sensor registriert und letztlich als Messwert dargestellt werden. Je mehr Lactose-Moleküle mit dem Enzym binden, desto intensiver sind die elektrochemischen Prozesse, die über einen Sensor erfasst und nach der Umwandlung als Messwert dargestellt werden. Je größer der Wert, desto mehr Lactose ist in der Probe enthalten. |
Zwei weitere Wege zur Bestimmung des Lactosegehaltes führen über das Spaltprodukt Galactose. In beiden Fällen wird zunächst wie zuvor die Aktivität der Lactase genutzt, die Lactose in Galactose und Glucose spaltet.
Ein zweites gleichzeitig eingesetztes Enzym – die Galactose-Oxidase – bildet einen Enzym-Substrat-Komplex mit der entstandenen Galactose. Über die damit verbundenen elektrochemischen Prozesse und deren Umwandlung in Messwerte lässt sich indirekt eine Aussage über die Menge der noch vorhandenen Lactose machen.
Gleiches gilt für einen weiteren Weg, der ebenfalls über die Produkte führt, die durch die Aktivität der Galactose-Oxidase entstehen. Neben dem Stoff Galacto-Hexodialdose entsteht auch Wasserstoffperoxid (H2O2). Mithilfe eines Sensors kann Letzteres erfasst und schließlich als Messwert dargestellt werden.
Beispiel b Sehr viele Insektizide, aber auch einige chemische Kampfstoffe (z.B. Sarin und Tabun) gehören zur Stoffgruppe der Organophosphate. Ihre Wirkorte sind der synaptische Spalt und die motorischen Endplatten an den Muskeln (siehe hier). Die Analyse dieser Stoffe war ursprünglich sehr zeitraubend. Dieses betraf vor allem auch die Untersuchungen von Lebensmitteln auf Insektizidrückstände. Eine Gruppe von Enzymen, die Organophosphorylasen, hydrolysieren (= Aufspaltung einer chemischen Verbindung durch Anlagerung eines Wassermoleküls (H2O)) Organophosphate. Die dabei stattfindenden elektrochemischen Prozesse werden von einem Sensor erfasst und schließlich als Messwert dargestellt, der indirekt Rückschlüsse auf die Menge der vorhandenen Giftstoffe zulässt. |
Beispiel c
Das Enzym Acetylcholinesterase ist unverzichtbar für die Informationsübertragung an Synapsen bzw. motorischen Endplatten, da es den Transmitter Acetylcholin dort in seine unwirksamen Spaltprodukte Cholin undAcetat zerlegt (siehe hier). Es gibt zwei Gegebenheiten, bei denen das Enzym Acetylcholinesterase gehemmt wird. Zum einen bewusst, zum anderen nicht gewollt.
Anmerkung: Folgendes ist aus neurophysiologischer und medizinischer Sicht stark vereinfacht!
Es gibt Krankheiten, die eine erhöhte Aktivität des Acetylcholins notwendig machen. Dazu gehört vor allem die Alzheimer-Demenz. Zum Krankheitsbild gehören u.a. Gedächtnis-, Orientierungs- und Sprachstörungen. Ursache ist eine fortschreitende Abnahme von Nervenzellen und Nervenzellkontakten im Gehirn. Dadurch werden weniger elektrische Signale zwischen Nervenzellen gesendet bzw. empfangen. Die Abnahme der Nervenzellen versucht man durch einen höheren Signaldurchfluss in den Nervenzellen zumindest teilweise zu kompensieren. Dazu muss die Menge des Acetylcholins erhöht werden. Ausgangspunkt der Erforschung bzw. Entwicklung neuer Medikamente gegen die Alzheimer-Demenz war und ist die Acetylcholinesterase, die normalerweise Acetylcholin in Cholin und Acetat spaltet. Umfangreiche Arbeiten ermöglichten schließlich das im Folgenden geschilderte Prinzip auch bei betroffenen Menschen anzuwenden, ohne dass es zu einer lebensgefährlichen Situation kommt.
Eingesetzte Acetylcholinesterase-Hemmer – z.B. enthalten im Medikament Donepezil – blockieren den normalen Abbauprozess des Acetylcholins in die unwirksamen Spaltprodukte Cholin und Acetat. Die Hemmung der Aktivität der Acetylcholinesterase erhöht damit die Acetylcholin-Konzentration im synaptischen Spalt und die Acetylcholinrezeptoren können häufiger bzw. länger aktiviert werden. Der Signalfluss wird verstärkt. Die Zunahme der Acetylcholin-Moleküle führt dabei gleichzeitig zu einer Abnahme der Spaltprodukte Cholin und Acetat. Ein zweiter gleichzeitig eingesetzter Enzym-Biosensor tritt in Wechselwirkung mit dem Cholin, und die dabei stattfindenden elektrochemischen Prozesse können nach ihrer Umwandlung indirekt Aufschluss über Menge der Acetylcholinesterase liefern. Eine Abnahme der Cholin-Menge weist auf ein Funktionieren des Hemmstoffes und damit indirekt auf eine erhöhte Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt hin.Ein weiteres Beispiel betrifft die nicht steuerbare Hemmung der Acetylcholinesterase durch bestimmte Insektizide, wie z.B. das Parathion, das im Körper in den Hemmstoff Paraoxon umgewandelt wird. Die Messung der Menge des Insektizids erfolgt nach dem gleichen zuvor erläuterten Prinzip. Auch in diesem Beispiel wird nicht die Konzentration des Stoffes selbst, sondern sein Vorkommen indirekt über den Cholingehalt gemessen. |
Eingesetzte Acetylcholinesterase-Hemmer – z.B. enthalten im Medikament Donepezil – blockieren den normalen Abbauprozess des Acetylcholins in die unwirksamen Spaltprodukte Cholin und Acetat. Die Hemmung der Aktivität der Acetylcholinesterase erhöht damit die Acetylcholin-Konzentration im synaptischen Spalt und die Acetylcholinrezeptoren können häufiger bzw. länger aktiviert werden. Der Signalfluss wird verstärkt.
Die Zunahme der Acetylcholin-Moleküle führt dabei gleichzeitig zu einer Abnahme der Spaltprodukte Cholin und Acetat. Ein zweiter gleichzeitig eingesetzter Enzym-Biosensor tritt in Wechselwirkung mit dem Cholin, und die dabei stattfindenden elektrochemischen Prozesse können nach ihrer Umwandlung indirekt Aufschluss über Menge der Acetylcholinesterase liefern. Eine Abnahme der Cholin-Menge weist auf ein Funktionieren des Hemmstoffes und damit indirekt auf eine erhöhte Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt hin.
Ein weiteres Beispiel betrifft die nicht steuerbare Hemmung der Acetylcholinesterase durch bestimmte Insektizide, wie z.B. das Parathion, das im Körper in den Hemmstoff Paraoxon umgewandelt wird. Die Messung der Menge des Insektizids erfolgt nach dem gleichen zuvor erläuterten Prinzip. Auch in diesem Beispiel wird nicht die Konzentration des Stoffes selbst, sondern sein Vorkommen indirekt über den Cholingehalt gemessen.
Lösungen zu Aufg.2:
Beispiel a |
Der folgende kurze Film gibt einen weiteren Einblick in die Entwicklung und Arbeit von Biosensoren. In dem Film geht es nicht nur um den Einsatz von Enzymen, sondern auch um die Nutzung von Antikörpern und Nucleinsäuren als Biosensoren. | |
Übrigens – auch die „SARS-CoV-2 Rapid Antigen-Tests“, kurz Corona-Tests, beruhen auf dem Einsatz von Biosensoren. Als Antigen werden Strukturen / Stoffe im Körper bezeichnet, die vom Immunsystem als „fremd“ erkannt werden. Diese müssen zunächst erkannt und dann bekämpft werden. Die Erkennung – in diesem Fall von Teilen des Corona-Virus – erfolgt durch verschiedener Testmethoden. Eine gute Übersicht über die Tests gibt z.B. folgender Link: https://www.apotheken-umschau.de/corona-nachweis-die-testverfahren-im-ueberblick-724147.html (Zugriff: 2021-05-08) |
3. Neuere Forschungen zeigen Möglichkeiten, Tests auf Corona-Viren, aber auch in Hinblick auf andere Viren (z.B. Gippeviren) und Bakterien (z.B. Scharlach), weiter zu optimieren. Eine Alltagstauglichkeit ist aber noch nicht vollständig verwirklicht.
Die folgenden Links verweisen auf eine genauere Veranschaulichungen der Nutzung von Biosensoren in Zusammenhang mit Viren und Bakterien. Linkliste:
|
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.