AB 7_2.3
Thema: Nur Gemüse und Obst – Proteinversorgung ausreichend?

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Häufig gelten Fleisch(-produkte), Fisch(-produkte), Milch(-produkte) und Eier(-produkte) als Synonyme für die Proteinversorgung des Körpers. In der Regel ist ihr Proteingehalt hoch und die Versorgung unseres Körpers mit den notwendigen Aminosäuren in ausreichendem Maße gewährleistet. Zudem liegt es auf der Hand, dass tierische Proteine dem des Menschen ähnlicher sind als pflanzliche Proteine, da wir mit Huhn oder Schwein näher verwandt sind als mit der Sojabohne.

Aus verschiedensten Gründen ernähren sich Menschen ohne tierische Produkte zu nutzen.
Viel diskutiert werden in diesem Zusammenhang die Fragen, ob und wie bei einer Ernährung auf den Grundlagen von Gemüse und Obst die Proteinversorgung des Körpers unter quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten gewährleistet ist.

In Hinblick auf pflanzliche Ernährung werden in diesem Zusammenhang fast immer nur Soja(-produkte) und manchmal auch Süßlupinen genannt. Aber es sind auch andere ganz alltägliche pflanzliche Nahrungsmittel, die bei der Proteinversorgung des menschlichen Körpers – Bedarf ca. 0,8 bis 0,9 g Protein / kg Körpergewicht und Tag (siehe auch Kap. 2.3) – berücksichtigt werden sollten.

Proteinversorgung

Abb. AB 7_2.3-1 Sojabohnen

Alle pflanzlichen Nahrungsmittel enthalten Proteine, denn Pflanzen sind Lebewesen und um alle Lebensfunktionen zu ermöglichen sind nun einmal Proteine notwendig (siehe Kap. 2.3Proteine – das sind fast Alleskönner“).

Der (Gesamt-)Proteingehaltes bei verschiedenen Gemüse- und Obstsorten ist sehr unterschiedlich (Abb. AB 7_2.3-3).
In erster Linie sind es Getreide(-produkte), Hülsenfrüchte (z.B. verschiedene Bohnen) und Nüsse bzw. Samen (z.B. Sonnenblumenkerne, Erdnüsse), die in höheren Wertebereichen (>10 g / 100 g) anzutreffen sind. Andere Gemüsesorten, vor allem Salatgemüse, liegen meistens unter diesem Wert. Obst hat fast immer einen geringen (Gesamt-)Proteingehalt.

Proteinversorgung

Abb. AB 7_2.3-2 Hülsenfrüchtegemisch

Proteinversorgung

Abb. AB 7_2.3-3 (Gesamt-)Proteingehalt verschiedener pflanzlicher Nahrungsmittel (Gemüse gerundet)

 

Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt (siehe Kap. 2.3), hat das menschliche Erbgut im Laufe der Evolution die (Erb-) Informationen zur Herstellung bestimmter Aminosäuren im eigenen Stoffwechsel verloren. Aminosäuren, die im menschlichen Körper nicht aufgebaut werden können, müssen zwingend über die Nahrung in ausreichender Menge aufgenommen werden. Diese Aminosäuren werden als „essenzielle Aminosäuren“ bezeichnet.

Ein Blick auf die Aminosäurezusammensetzung pflanzlicher Nahrung wird damit notwendig und sinnvoll, um im Rahmen der Ernährung nicht nur die Aufnahme einer ausreichenden (Gesamt-)Proteinmenge, sondern auch die Versorgung mit den verschiedenen essenziellen Aminosäurenmengen sicherzustellen.

Die folgende Tabelle zeigt den Gehalt essenzieller Aminosäuren (= Aminosäureprofil) verschiedener pflanzlicher Nahrungsmittel .

 

 

Abb. AB 7_2.3-4 Haferflocken

essenzielle
AS

empfohlene Aufnahme
in mg / pro kg Körpergewicht und Tag
(nach WHO)

Thr Lys Val Leu Iso Phe Try Met His
15 30 26 39 20 25 4 10 10
Sojabohne (frisch) 368 578 483 798 494 483 95 126 263
Leinsamen (frisch) 976 952 1366 1582 1098 1220 415 488 512
Kidneybohnen (frisch 884 1591 1017 1655 906 1149 199 243 619
Walnuss (frisch) 418 302 634 950 547 533 130 173 288
Haferflocken (ungekocht) 376 426 689 865 576 627 138 163 213
Basmatireis (ungekocht) 266 260 458 587 321 342 68 123 109
Brunnenkresse (frisch) 99 11 99 150 90 73 33 21 40
Rosenkohl (frisch) 142 187 169 200 182 125 45 45 93
Broccoli (frisch) 116 155 158 158 129 119 33 43 56
Kartoffel (frisch) 71 118 108 118 84 88 29 31 31
Tomate (frisch) 27 36 24 35 24 24 8 6 13
Banane (frisch) 38 58 58 84 38 35 18 9 77
Apfel (frisch) 8 15 12 16 10 9 2 3 6
Thr (=Threonin), Lys (=Lysin), Val (=Valin), Leu (=Leucin),
Iso (=Isoleucin), Phe (=Phenylalanin), Try (=Tryptophan),
Met (=Methionin), His (=Histidin)
Tab.1 AB 7_2.3
Beispiele pflanzlicher Nahrungsmittel (100g) und
ihr Gehalt an essenziellen Aminosäuren in mg
Datenquelle: https://www.naehrwertrechner.de/ (Zugriff: 2019-05-05)
Jedes pflanzliche Nahrungsmittel enthält neben Proteinen auch die beiden anderen Nährstoffe (Kohlenhydrate, Fette) zu sehr unterschiedlichen Anteilen. So enthalten zwar Bohnen reichlich Proteine und selbst Kartoffeln zeigen ein noch positiv zu bewertendes Aminosäureprofil, aber beide Nahrungsmittel besitzen auch einen relativ hohen Gehalt an Kohlenhydraten. Viele Nüsse und Samen mit guten Aminosäurewerten enthalten dagegen viel Fett. Ein hoher Gehalt an Kohlenhydraten bzw. ein hoher Fettgehalt sind jedoch nicht unbedingt erwünscht, führen sie doch bei unzureichender Aktivität zur Bildung bzw. zum Wachstum von Fettzellen. Also muss auch in dieser Hinsicht ein sachlich kritischer Blick auf pflanzliche Nahrungsmittel geworfen werden, um letztendlich zu einer entsprechenden Nahrungsmittelauswahl zu kommen.

 

Weitere Inhaltsstoffe pflanzlicher Nahrungsmittel, die jeweils in sehr unterschiedlicher Menge vorkommen, sind Ballaststoffe, Mineralstoffe, Vitamine und sogenannte „sekundäre Pflanzenstoffe“. Viele dieser Stoffe besitzen eine große Bedeutung für den menschlichen Körper. Allerdings gibt es auch in pflanzlichen Nahrungsmitteln Stoffe, die – vor allem in zu großen Mengen aufgenommen – nicht unbedenklich sind. Dazu gehören u.a. Oxalsäure, Solanin, bestimmte ätherische Öle und auch Phytohormone.

Abb. AB 7_2.3-5 Broccoli

Bei der Auswahl pflanzlicher Nahrungsmittel sollten auch diese positiv und negativ einzuschätzenden Stoffe berücksichtigt werden (siehe auch Kap. 2.4Wasser, Vitamine und &“).

In Zusammenhang mit gesundheitlichen Fragen des Proteinkonsums ist es schließlich wichtig, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Proteine, sowohl pflanzlichen als auch tierischen Ursprungs, Allergien auslösen können (siehe AB 11_2.3 „Proteine als Allergieauslöser – ganz schön übel“ und AB 5_2.3Fleischersatz – sieben Beispiele“).

Zum Schluss noch ein allgemeingültiger Blick auf den Energiegehalt von Proteinen. Er entspricht dem der Kohlenhydrate. Im Unterschied zu diesem Nährstoff spielen Proteine jedoch bei der Energieversorgung des Körpers fast keine Rolle (siehe auch Kap. 2.3). Auch ein hoher Anteil von Proteinen in einem Nahrungsmittel führt nicht automatisch zu einer vermehrten Nutzung dieser Moleküle im Energiehaushalt!

Abb. AB 7_2.3-6 Gemüse nd Obst

  1. Du möchtest dich ausschließlich auf pflanzlicher Basis ernähren. Du hast ein Körpergewicht von 50 kg.
    Überprüfe anhand von dir selbst auszuwählenden pflanzlichen Nahrungs- bzw. Lebensmitteln ob und wie du deinen Proteinbedarf – zunächst nur quantitativ – auf diesem Wege abdecken kannst.
    Vergiss nicht die dabei ungefähr benötigten Mengen an Nahrungs- bzw. Lebensmitteln zu berücksichtigen.
    Benutze dazu nicht nur die hier angegebenen Werte, sondern auch andere Quellen.

Mögliche Quellen:
https://lebensmittel-naehrstoffe.de/ (Zugriff 2019-08-13)
http://www.naehrwertrechner.de/ (Zugriff 2019-08-13)
http://www.naehrwertdaten.ch/ (Zugriff 2017-01-13)

  1. Überprüfe anhand der von dir ausgewählten pflanzlichen Nahrungs- bzw. Lebensmittel, inwiefern sie zur ausreichenden Versorgung mit den verschiedenen essenziellen Aminosäuren beitragen.
    Achte auch hier auf die Mengen der zu verwendenden Nahrungsmittel.
    Begründe dann, warum bei einer Ernährung auf der Grundlage von Gemüse und Obst grundsätzlich zu einer Kombination von pflanzlichen Nahrungs- bzw. Lebensmitteln aufgefordert wird (siehe auch AB 8_2.3Biologische Wertigkeit von Proteinen – ein Qualitätsmerkmal?“).
  1. Eine Person erzählt, sie/er habe Folgendes im Internet gelesen:
    Selbst wenn man sich ausschließlich von Broccoli und Wassermelone ernährt, kann man damit seinen täglichen Eiweißbedarf decken.“
    Beurteile diese Aussage.
    Gehe dabei von folgenden Daten aus:
    Die Person ist 50 kg schwer. Damit es sich besser rechnen lässt, verwende den Bedarfswert von 1 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.
    Informationen zu Broccoli und Wassermelone:
    Broccoli pro 100 g: 34 kcal
    Proteine 2,8 g, Fett 0,19 g, Kohlenhydrate 1,87 g
    Wassermelone pro 100 g: 38 kcal
    Proteine 0,6 g, Fett 0,20 g, Kohlenhydrate 8,3 g
  1. Eine andere Person hat folgende Aussage im Internet gefunden:
    Bei Vollkornnudeln stammen 16% der Kalorien von den Protein-Kalorien, wo doch sonst Vollkornnudeln nur mit Kohlenhydraten in Verbindung gebracht werden.“
    Beurteile auch diese Aussage.

 

Lösungen zu 3. und 4.:

zu 3.
Berechnungen zum Bedarf:
Broccoli pro 100g: 2,8 g Proteine
Bei einem täglichen Bedarf von 50 g Proteinen bedeutet das 50 : 2,8 = 17.9 x 100g = 1,79 kg Broccoli ist notwendig zur Abdeckung des täglichen Eiweißbedarfs.
Wassermelone pro 100g: 0,6 g Proteine
Bei einem Bedarf von 50 g bedeutet das 50 : 0,6 = 83 x 100g = 8,3 kg Wassermelone ist notwendig zur Abdeckung des Eiweißbedarfs.
Selbst wenn man beide Nahrungsmittel irgendwie aufgeteilt zu sich nimmt – klingt nicht gut!
Außerdem bleibt völlig unbeachtet, dass der Körper auch Kohlenhydrate und Fette benötigt, die bei beiden Nahrungsmitteln auch bei diesen Zufuhrmengen nicht ausreichend verfügbar sind!
Die Aussage ist also völlig unsinnig, zudem – mehr als ein paar Tage praktiziert – mit Sicherheit ungesund und kein gutes Argument dafür, dass man sich auch rein pflanzlich ernähren kann.
zu 4.
Vollkornnudeln pro 100 g: 333 kcal
Proteine 13 g, Fett 4,2 g, Kohlenhydrate 60,3 gBerechnung:
1g Proteine haben einen Energiegehalt von 4,1 kcal, d.h. 13 x 4,1 = 53 kcal, das entspricht 16% der Kalorienmenge.
Ja, der Wert ist korrekt!
Die Verwendung des Begriffes „Kalorien“ erfolgt jedoch in der Regel nur in Zusammenhang mit der Energiegewinnung.
Mit der Nahrung aufgenommene Proteine dienen aber fast ausschließlich als Baustoff – und das ist notwendig!
Nur im Ausnahmefall werden auch Proteine zur Energiegewinnung herangezogen. So ist auch der Begriff „Protein-Kalorien“ mehr als seltsam!
Die Kohlenhydrate sind die entscheidenden Energielieferanten und anteilsmäßig mit 60,3 g/100g x 4,1 kcal/g = 247 kcal = 74% der Kalorienmenge von 333 kcal/100g in Vollkornnudeln enthalten. Nicht verwertete Kohlenhydrate können als Fett gespeichert werden.
Trotzdem können auch Vollkornnudeln zu einer rein pflanzlichen Ernährung gehören – wegen der Kohlenhydrate nur nicht zu viel!

Und zum Schluss … :

Beurteile zusammenfassend die Versorgung mit Proteinen bei einer Ernährung auf rein pflanzlicher Grundlage?
Nenne die Gesichtspunkte, die dabei nach deiner Meinung besondere Berücksichtigung finden müssen?

Vergleiche deine Antworten mit denen hinter dem „Klick“.

Klick:

  1. Die Proteinversorgung des Körpers kann bei einer rein pflanzlichen Ernährung, verbunden mit einem entsprechendem Essverhalten, gewährleistet werden.
  2. Der (Gesamt-)Proteingehalt einer Gemüse- oder Obstsorte ist nur ein Kriterium für den ernährungsphysiologischen „Wert“ dieser Nahrungsmittel.
  3. Aufgrund der Proteinvielfalt ist nicht nur der Gesamtgehalt an Proteinen in Gemüse und Obst von Bedeutung, sondern vielmehr das Aminosäureprofil der aufgenommenen Proteine.
  4. Insbesondere bei der Ernährung auf der Grundlage von Gemüse und Obst sollte eine möglichst große Vielfalt von Nahrungsmitteln – und damit von Proteinen – das Essverhalten bestimmen. (zu 3. und 4. siehe auch AB 8_2.3 „Biologische Wertigkeit von Proteinen – ein Qualitätsmerkmal?“).
  5. Neben den Proteinen enthalten Gemüse und Obst immer auch andere Inhaltsstoffe (Kohlenhydrate, Fett, Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe etc.). Sowohl positive als auch negative Aspekte sind bezüglich dieser Inhaltsstoffe bei der Nahrungsmittelauswahl zu beachten.
  6. Aufgenommene Proteine werden vom Körper fast ausschließlich als notwendige „Baustofflieferanten“ genutzt und nur im Ausnahmefall als Energielieferant.

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